FREMDGEHEN VERSTEHEN UND MIT DER PREKÄREN SITUATION KONSTRUKTIV UMGEHEN

Versöhnung nach einem Strei: Paar schaut sich tief in die Augen

Fremdgehen verstehen: Warum sich Liebesaffären jeglicher Logik entziehen

Es ist passiert: Ihr Partner oder Sie hatten eine Liebesaffäre. Egal, ob Sie sich verliebt haben oder betrogen wurden, es wird Ihnen vermutlich erstmal so gehen, wie den meisten Menschen: Sie verstehen die Welt nicht mehr. Wie konnte das passieren? Warum wurde Ihr Partner untreu, wieso haben Sie sich Hals über Kopf verknallen können? Wenn Untreue in eine Partnerschaft Einzug hält, suchen die meisten Menschen nach Erklärungen – verständlicherweise. Sie zu finden, ist schwer, wenn nicht gar unmöglich. Nicht oft lässt sich nämlich ein Seitensprung oder dergleichen auf eine Ursache zurückführen. Warum ist das so? Weil sich Liebesaffären jeglicher Logik entziehen und nur selten ein klares Motiv haben. Hier lesen Sie, wieso.

Jenny hatte schon lange ein mulmiges Gefühl: Wenn Ihr Mann später nach Hause kam, wenn nachts sein Handy klingelte oder er plötzlich alle vier Wochen zum Friseur ging. Aber sie hatte für alles Erklärungen, ihre drängenden Fragen verhallten im stressigen Alltag. Sex gab's ja auch noch und gemeinsame Ausflüge mit den Kindern, harmonische Treffen mit Freunden und nette Abende zu zweit. Als eine Freundin Jenny dann berichtete, sie habe ihren Mann mit einer unbekannten Brünetten Arm in Arm in der Stadt gesehen, fiel es Jenny wie Schuppen von den Augen: Die Puzzleteile fügten sich zusammen, Unerklärliches ergab einen Sinn, irgendetwas hatte doch schon lange nicht mehr gestimmt.

Und auch Jennys Mann hatte lange schon diesen latenten Frust mit sich herumgeschleppt. Aber die Leerstellen in der Beziehung einfach verdrängt. Sex gab's ja auch noch und gemeinsame Ausflüge mit den Kindern, harmonische Treffen mit Freunden und nette Abende zu zweit. Aber dann kam da die Neue aus der Marketingabteilung, und mit ihr ein wiedererwachtes Begehren. Jennys Mann blühte auf, spürte wieder, wie das Leben in ihm pulsierte – vor allem, als sein heimlicher Schwarm Interesse bekundete. Vom After-Work-Bier zum ersten Kuss war es dann ein erschreckend kleiner Schritt. Untreu wollte er nie werden – doch plötzlich und unerwartet war es einfach passiert.

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Nach der Affäre ist vor der Erkenntnis

Und dann ging es los, das viele Reden, das gegenseitig Vorwürfe hin und her schieben, die Opfer-Täter-Jagd und das große Grübeln. Man muss ja nicht gleich untreu werden, wenn's in der Beziehung mal hakt, Unzufriedenheit ist keine Legitimation für eine Affäre und überhaupt – warum hatte Jennys Mann nie über seine Gefühle und seinen Beziehungsfrust gesprochen? Warum hatte Jenny nicht sensibler auf all die dezenten Andeutungen ihres Mannes reagiert, warum nie wirklich nachgebohrt? Und ist das jetzt ein Zeichen dafür, dass die Beziehung am Ende ist oder dass Jennys Mann in der Midlife-Crisis steckt? Alles eine Folge von Jennys Sexunlust, ihren Falten oder war es gar die unwiderstehliche Verführungskraft der Kollegin?

nachdenkende Frau Mit diesen und vielen anderen Fragen zermartert sich manch einer dann das Hirn. Und kommt doch nicht zu der Erklärung, zu einer logischen Herleitung der Geschehnisse. Dabei sehnt man sich in einer solchen Situation ja gerade danach, die Dinge rein verstandesmäßig erfassen zu können und sie damit kontrollierbar zu machen. Denn habe ich eine Erklärung für die Untreue meines Partners, dann kann ich daran arbeiten, die Steine aus dem Beziehungsweg rollen und weitermachen. Und auch derjenige, der sich trotz fester Beziehung verliebt und eine Affäre eingeht, ist nicht unbedingt mit Glückseligkeit gesegnet. Euphorische Verliebtheitsgefühle und Gewissensbisse halten sich dann oft die Waage. Zweifel, Trauer und viele Fragen treiben auch den Untreuen um – wie das passieren konnte, bleibt oft auch ihm verborgen. Zudem wird er zwischen seinen so ambivalenten Emotionen manchmal förmlich zerrieben.

Ganz gleich, wie Sie gestrickt sind, ob sehr emotional veranlagt oder eher nüchtern – eine Affäre bringt einiges durcheinander und stellt Gewissheiten mitunter auf den Kopf. Und da spielt es keine Rolle, ob Sie untreu geworden sind oder Ihr Partner.

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Ist eine Affäre Schicksalsmacht oder eigener Wille?

Eben schien die Sonne noch und der Himmel war märchenblau, jetzt hängt alles voller dunkler Wolken – auch wenn viele Menschen es so empfinden, eine Affäre ist keine Naturkatastrophe.

Buchcover: Das Geheimnis der Treue von Wolfgang Krüger Wolfgang Krüger etwa resümiert in Das Geheimnis der Treue, viele Menschen erlebten den Seitensprung wie aus heiterem Himmel. Meist sei er ungeplant, ungewollt und werde von den Betroffenen wie ein Naturereignis empfunden. Da »überkommt« einen etwas, es trifft einen »wie der Schlag«, man wird von Verliebtheitsgefühlen »überwältigt«. So eine Denkweise ist natürlich irgendwie entlastend. Schließlich haben wir Menschenwesen starken Himmelsmächten wenig entgegenzusetzen – wer von meterhohen Liebeswellen überspült wird, kann diesem Gefühlstsunami wohl kaum entrinnen.

Allerdings steht diesen hochemotionalen Aspekten etwas mehr Rationales gegenüber: So völlig ohne Vorwarnung oder Anzeichen ist eine Liebesaffäre nun auch nicht denkbar. Die meisten Seitensprünge, so Wolfgang Krüger, ereigneten sich dann, wenn die Beziehung in einer massiven Krise stecke. Dann sei sie bisweilen eine Folge einer Fehlentwicklung innerhalb der Partnerschaft, die Partner hätten die (Ver-)Bindung zueinander verloren, eine Entfremdung gehe dem Liebesbetrug voraus. Auch wenn wir das vorher vielleicht nicht so wahrnehmen wollen und können, ein Seitensprung bringt womöglich bestimmte Lebenskräfte zum Ausbruch, die wir bis dato ignoriert haben.

Buchcover: Liebesaffären von Wolfgang Hantel-Quitmann Auch Wolfgang Hantel-Quitmann schreibt in Liebesaffären, er erlebe es in Paartherapien häufig, dass Menschen die Verantwortung für ihr Handeln ablehnen oder einschränken wollen, indem sie darauf hinweisen, dass sie nicht bewusst, sondern nur unbewusst gehandelt hätten. Er lasse dies nicht als Entschuldigung gelten, schließlich gehöre auch das Unbewusste uns selbst. Und auch dafür sind wir verantwortlich. Selbst wenn die meisten Seitensprünge nicht unbedingt geplant sind und perfide in die Tat umgesetzt werden, sind sie nicht ausschließlich das Resultat einer Macht, der wir hilflos ausgeliefert sind.

Es ist, was es ist: Warum man Bewertungen besser vermeiden sollte

Zunächst einmal empfiehlt sich doch eine gewisse Sachlichkeit. Bewertungen und Verurteilungen sollte man möglichst unterlassen. Buchcover: Die Kirschen in Nachbars Garten von Julia Onken Dazu rät beispielsweise Julia Onken in Die Kirschen in Nachbars Garten. Wer verstehen will, was als ausschlaggebende Kraft hinter einer aushäusigen Liebschaft oder einer sexuellen Kontaktnahme stehe, der müsse bereit sein, auf Bewertungen zu verzichten. Onken hält Fremdgehen und Treuebruch für elementare Lebensmanifestationen, die weder auf einen seelischen Defekt noch auf böse Absicht zurückzuführen seien.

Klar sind wir in so einer Situation schnell dabei, den Betrüger als böse und den Betrogenen als gut hinzustellen – schließlich hat der eine etwas getan, dem anderen wurde etwas angetan. Aber jeder Versuch, Menschen nach dieser Schwarz-Weiß-Manier in Gut oder Böse einzuteilen, müsse scheitern. Wer in einer Betrugssituation nach psychologischen Erklärungen suche, lande häufig in einer Sackgasse, befindet die Schweizer Psychotherapeutin.

Für viel wichtiger als eine Bewertung im Sinne von gut oder schlecht hält auch Wolfgang Hantel-Quitmann eine auf gegenseitigem Verständnis basierende Auseinandersetzung mit der Affäre. Man könne eine Liebesaffäre als ein Symptom der Paarbeziehung begreifen, wie andere Probleme auch. Man müsse also hinterfragen, was die Untreue vor dem Hintergrund der Partnerschaft bedeutet und welche tieferen Probleme womöglich dahinterstecken. Vor allem sollte man sich auch fragen, wie die Beziehung unmittelbar vor Beginn der Liebesaffäre gewesen sei. Gerade das ist ja ein steter Quell großen Kummers: Denn, wie wir oben ja erläutert haben: was vor der Affäre war, wird manchmal erst danach ersichtlich. Und auch, was wir empfinden und wie wir das rational erfassen, dringt manchmal erst dann in unser Bewusstsein, wenn durch eine Affäre eine Beziehungskrise ausgelöst wurde.

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Totale Ambivalenz: Logik versus Gefühl

Rational begreifen lassen sich Affären wohl kaum, dazu sind sie viel zu komplex. Denn die meisten Affären sind nicht von langer Hand geplant, sie widerfahren dem Untreuen einfach so – naja, einfach so ist sicherlich falsch ausgedrückt. Aber oft wird auch dem Untreuen erst klar, was alles in der Partnerschaft schief läuft, wenn das Kind in den Brunnen gefallen und die Affäre passiert ist.

Eine Liebesaffäre kommt oft für alle Beteiligten wie aus dem Nichts – dabei wird im Nachhinein klar: Da war doch etwas. Paartherapeut Wolfgang Krüger ist auch der Meinung, ein Seitensprung bahne sich immer irgendwie an. Buchcover: Das Geheimnis der Treue von Wolfgang Krüger Man könne keinesfalls davon ausgehen, dass jeder Mensch leicht verführbar sei, erklärt er in Das Geheimnis der Treue. Schließlich seien wir ständig im Leben mit Versuchungssituationen konfrontiert und nicht automatisch immer gefährdet, unserem spontanen Drang nach Bedürfnisbefriedigung nachzugeben. Auch Alkohol sei eine denkbar plumpe Ausrede für einen Seitensprung. Natürlich enthemmt das ein oder andere Gläschen Wein und bringt uns in Flirtlaune. Aber ohne innere Bereitschaft zum Fremdgehen, so Krüger, würde auch mit einem kleinen Räuschle nichts laufen.

Wären Affären eine logische Sache, dann müsste es bestimmte, klar definierbare Ursachen geben, die zwangsläufig zu einer Wirkung führen, nämlich der Untreue. Beziehungsunglück etwa oder Sexfrust könnten theoretisch solche Ursachen sein, aber hier sind sich viele Experten einig: Beides mündet nicht standardmäßig in Fremdgehen.

Buchcover: Wenn Liebe fremdgeht von Ulrich Clement Ulrich Clement etwa stellt in Wenn Liebe fremdgeht fest, dass Affären sowohl in glücklichen als auch in unglücklichen Partnerschaften vorkommen. Eine schwierige Beziehung sei als Begründung immer schnell bei der Hand, schreibt er. Aber es gebe alle möglichen anderen Motive zum Fremdgehen, Unzufriedenheit mit dem Partner sei nur eines davon. Übermut, Sehnsucht, Neugier, Geilheit oder Langeweile nennt er als weitere in Frage kommende Gründe – die Liste sei unendlich lang.

Auch Andrea Bräu konstatiert in Es war doch nur Sex, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Gründe für ihr Fremdgehen hätten. Buchcover: Es war doch nur Sex von Andrea Bräu Manchmal erscheine ein Seitensprung als der einfachste Weg, eine nicht zufriedenstellende Situation zu kompensieren, wie etwa sexuelle Unzufriedenheit oder immer wiederkehrende Partnerschaftsprobleme. Bisweilen habe die Untreue aber auch rein gar nichts mit der eigentlichen Beziehung oder dem Partner zu tun, sondern vielmehr mit dem Ego desjenigen, der fremdgeht. Wenn der oder die etwa Selbstwertdefizite hat oder sich nur schwer auf echte Bindungen einlassen kann, weil er ein Näheproblem hat. Grundsätzlich gehöre zum Fremdgehen aber eine gewisse Bereitschaft und Offenheit, diesen Schritt überhaupt zu gehen, schreibt Andrea Bräu.

Das alles ist also logisch schwer (be)greifbar, denn es hat immer mit dem Menschen und dessen einzigartigem Gefühlsleben zu tun – das zuweilen eine sehr ambivalente Angelegenheit ist. Manch einer möchte die Geborgenheit einer dauerhaften Bindung, aber nicht auf prickelnde Erotik verzichten. Im Kern sind das ja konträre Bedürfnisse: Das eine – die tiefe, verlässliche Liebe – basiert auf Gewöhnung und Sicherheit. Das andere – die aufregende Verliebtheit – braucht Fremdheit. Beides in einer langjährigen Beziehung zu bekommen, halten die meisten Paartherapeuten für ziemlich unmöglich. Und genau hier versagt die Logik, denn die Emotionen eines Menschen, der trotz stabiler Partnerschaft fremdgeht, bis ins Letzte zu erklären, scheint quasi unmöglich.

Eine Wirkung – viele Ursachen: Die Vielschichtigkeit von Affärenmotiven

Die Motive für eine Liebesaffäre seien sehr wichtig, man müsse sie hinterfragen, um die Geschehnisse aufarbeiten zu können, meint Hantel-Quitmann. Dabei würden Menschen immer wieder versuchen, ihr Verhalten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Eine häufig vorkommende Rationalisierung sei etwa, zu sagen, wer liebe, habe Recht. Denn wen die Liebe trifft, der ist deren unschuldiges Opfer und kann sich nicht wehren. Menschen, die hinter dieser Schicksalstheorie Schutz suchen, würden oft ihre Eigenbeteiligung am Prozess des Verliebens vergessen – und damit auch die darin enthaltene Möglichkeit, im entscheidenden Moment »nein« zu sagen.

Ausreden haben Hantel-Quitmanns Einschätzung nach immer das Ziel, die Hintergründe der Liebesaffäre in Nebel zu hüllen und damit den Zugang zum Verständnis zu versperren. Buchcover: Liebesaffären von Wolfgang Hantel-Quitmann In Liebesaffären listet der Psychologieprofessor etliche mögliche Motive für das Fremdgehen auf: Eine grundsätzliche Bindungsunfähigkeit etwa oder ein Nachholbedürfnis, Eroberungsliebe oder Ausdruck einer fundamentalen, bisher unbefriedigt gebliebenden Lebenslust, Ausdruck eines unbewussten Trennungswunsches oder als Abwehr der Endlichkeit des Lebens. Für denkbar hält Hantel-Quitmann dabei mehrere Motive oder Mischformen – rational also kaum klar zu benennende Untreuegründe.

Und was unserem Verständnis von Logik außerdem widerspricht, bringt Hantel-Quitmann auf den Punkt, indem er schreibt, Liebesaffären würden nicht nur aus Problemen entstehen und solche verursachen, sondern seien auch immer eine Art Lösungsversuch.

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Was sein muss, muss sein

Buchcover: Wahre Liebe lässt frei von Robert Betz Robert Betz hat da eine besondere Meinung. Der Motivationscoach schreibt in Wahre Liebe lässt frei, wer fremdgehe, müsse das tun. Es sei kein Ausrutscher, kein Fehler oder gar eine Charakterschwäche. Alles, was geschehe, müsse geschehen, sonst würde es nicht geschehen. Auf die Logik der Affären bezogen ließe sich das so interpretieren, dass ein Seitensprung eine Daseinsberechtigung hat, wenn er denn geschehen ist.

Vieles habe auch mit der uns angeborenen Ambivalenz zu tun und mit dem letztlich anerzogenen Glauben an Monogamie: Wir denken, wir könnten nur einen Menschen lieben, alle anderen Menschen müssten wir ausschließen – denn Liebe soll und muss exklusiv sein, so die vorherrschende, gesellschaftlich legitimierte Ansicht. Dass Liebe sich aber nicht derartig einsperren lasse, müssen wir ignorieren, sonst gerät unser Liebesweltbild aus den Fugen. Dabei, so Betz, gehen gerade hier Herz und Verstand zwei völlig verschiedene Wege. Wir Menschen hätten zwar ganz grundsätzlich die Wahl und könnten grob die Richtung unseres Lebens bestimmen. Aber Robert Betz zufolge wirken in uns noch allerhand andere, mitunter viel stärkere Kräfte, die unserem Verstand oft überlegen sind. Wie etwa die Kraft des Eros, die wir nicht unterschätzen sollten. Diese hebelt oftmals unseren Verstand aus – ohne unser aktives, bewusstes Dazutun.

Was aber keinesfalls heißen soll, dass wir jeder Versuchung nachgeben müssen – wenn es denn aber passiert, dann muss es sein. Wichtig ist laut Betz, was wir daraus machen und wie wir mit der Untreue und unseren Gefühlen umgehen. So ambivalent und unlogisch sie auch sein mögen.

Dazu gehört ihm zufolge unter anderem auch die Erkenntnis, dass wir genau das anziehen, was wir eigentlich ablehnen. Er sieht das als Botschaften aus unserem Inneren. Das Leben kennt seiner Meinung nach keine Fehler, alles hat einen Sinn. Wenn Sie mit einem Fremden ins Bett gehen, dann bedeutet das etwas: Sie landen im richtigen Moment in den Armen desjenigen Menschen, der Ihnen widerspiegelt, was gerade in Ihnen brodelt – eine Sehnsucht, ein Mangel oder etwa ein Ausdruck von unterdrückter Lebenskraft.

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Spieglein, Spieglein...Narzissten gehen fremder

Frau in sich selbst verliebt Sie haben eine erfüllende, gut funktionierende Beziehung – und Ihr Partner geht trotzdem fremd? Auch wenn das auf keinen Fall ein Schuldspruch sein soll: Es kann auch sein, dass Ihre bessere Hälfte sehr narzisstisch veranlagt ist. Wolfgang Krüger glaubt wie viele seiner Fachkollegen, dass Narzissten, also besonders selbstverliebte Menschen, eher untreuegefährdet sind, ganz gleich, wie gut oder schlecht ihre Partnerschaft sich gestalten mag.

Denn auch wenn diese Menschen auf den ersten Blick überheblich und in hohem Maße selbstüberzeugt wirken, bohrt in ihnen ein quälendes Unwertgefühl, das sie unter Umständen nicht nur in Phasen der Beziehungskrise durch Seitensprünge aufpolieren müssen. Das geschieht überhaupt nicht rational, denn der innere Drang, sich selbst immer wieder durch andere Menschen auch sexuell bestätigen zu lassen, ist logikresistent.

Buchcover: Narzißmus von Heinz-Peter Röhr Auch der Psychotherapeut Heinz-Peter Röhr erläutert in Narzißmus – Das innere Gefängnis anhand eines Grimmschen Märchens, wie massiv die Wirkungen der narzisstischen Veranlagung auf das Beziehungsgeschehen sein können. Narzissten, schreibt er, würden häufig von idealer Partnerschaft träumen, dabei sei ihnen aber letzlich niemand gut genug. Sie würden sehr viel in Eroberungen investieren, sobald aber eine Beziehung hergestellt ist, verliere sie ihre Spanung. Und dann schlittern sie oftmals unbewusst in Affären. Es ist absurd zu denken, jemand in dieser Situation könnte logisch durchschauen, welche Motive sein Fremdgehen wirklich hat. Einfacher ist es da, die Ursache außerhalb der eigenen Person zu suchen, wie etwa in fehlender sexueller Befriedigung oder mangelnder Impulskontrolle.

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Das ewige Kind in uns

Nur wer wirklich erwachsen ist, kann wirklich lieben und auch treu sein. Wer sein Leben lang ungelöste Konflikte aus der Kindheit mit sich herumschleppt, wird vielleicht mit dem Partner immer wieder in Konfliktsituationen geraten, die eine Art Nachahmung der Kindheitskonstellationen sind.

Buchcover: Warum hast Du mir das angetan von Hans Jellouschek So sieht es etwa der renommierte Paartherapeut Hans Jellouschek. In Warum hast du mir das angetan? erläutert er, warum kindliche ungelöste Bindungen in unser späteres Liebesleben hineingrätschen. Er geht davon aus, dass sich kindliche Bindung von erwachsener Bindung grundsätzlich unterscheidet. Das Kind muss sich von seinen Eltern in einem Prozess ablösen, um autonom zu werden. Dabei stehe Bindung immer wieder im Kampf mit der Autonomie – im Idealfall wird dieser Konflikt durch eine Synthese gelöst: Das Kind findet eine gute Balance zwischen stabiler Bindung und befriedigendem Freiheitsbedürfnis.

Wenn dieser Lösungsprozess in der Jugend nicht funktioniert, bleibt die Aufgabe unerledigt, so Jellouschek. Die typisch kindliche Bindungsambivalenz bleibe bestehen. Dann würden die erwachsenen Partner Elternfiguren füreinander darstellen und müssten wechselseitig dafür herhalten, sich von neuem zu lösen – etwa durch Affären. Jellouschek sieht darin einen zentralen Grund, warum in erwachsenen Partnerschaften Außenbeziehungen eingegangen werden: Es sei der unbewusste Versuch, verschleppte Ablösungsprozesse vom gebundenen Kind zum autonomen Erwachsenen wieder aufzugreifen, um sie zu lösen.

Buchcover: Frauen wollen erwachsene Männer von Roland Kopp-Wichmann Auch der Psychologe Roland Kopp-Wichmann befasst sich mit diesem Aspekt. In seinem Buch Frauen wollen erwachsene Männer stellt er die Frage, wann ein Mann eigentlich ein erwachsener Mann ist. Seine Antwort lautet: Wenn er eine intime, gleichberechtigte Beziehung zu einem anderen Erwachsenen über eine längere Zeit aufrechterhalten und genießen kann. Treue gehört für ihn irgendwie dazu: Wer wirklich erwachsen ist, so Kopp-Wichmann, besitze die Fähigkeit, sich für einen Menschen zu entscheiden. Für Männer bedeute dies, mit der Entscheidung für eine Frau verzichte er zugleich auf Millionen anderer Frauen.

Wer fremdgeht, ist also womöglich noch nicht wirklich erwachsen und hat Entwicklungsprozesse in seiner persönlichen Reifung übersprungen – auch das lässt sich wohl kaum bis ins Letzte logisch erfassen. Und damit kommen wir zur Psychoanalyse: Das Ödipus-Thema hält nicht nur Kopp-Wichmann für eine wichtige Entwicklungsaufgabe.

Ödipus: der Affären-Komplex

Um es kurz zu machen: Die Psychoanalyse nach Sigmund Freud sieht die ödipale Phase als wichtigen kindlichen Entwicklungsschritt. Unbewusst richten sich die sexuellen Wünsche des Kindes auf den Elternteil des entgegengesetzten Geschlechts, gleichzeitig wird gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil Eifersucht und Hass empfunden, da dieser als Rivale angesehen wird.

Junge mit tätowierten Oberarm Wer die ödipale Konfliktthematik nicht löst, wem es also bildlich gesprochen nicht gelingt, auf die Mutter bzw. den Vater zu »verzichten« und sich mit dem Vater bzw. der Mutter und damit der männlichen bzw. weiblichen Rolle zu identifizieren, der kann sich nicht lösen und trägt diesen Konflikt in spätere Beziehungen hinein. Die können dann Reinszenierungen alter ungelöster Aufgaben sein – die etwa in Untreue und Affären münden. Egal, ob man nun Anhänger dieser Theorie ist oder nicht: Tatsache ist laut Kopp-Wichmann, dass das Dreiecksverhältnis zwischen Vater, Mutter und Kind eine sehr komplizierte Angelegenheit ist. Einerseits, weil das Ganze ein sehr komplexes, innerpsychisches Geschehen ist und andererseits, weil dieser Ablösungsprozess recht störanfällig ist. Hinzu kommt, dass Menschen nicht rein ratoional handeln, sondern aufgrund oft unbewusster Bedürfnisse und Motivationen.

Wolfgang Hantel-Quitmann zitiert in diesem Zusammenhang auch den sogenannten Donjuanismus, den übersteigerten männlichen Sexualtrieb, der sich in einem Eroberungszwang manifestiert: Männer mit Don-Juan-Syndrom haben es auf möglichst viele sexuelle Begegnungen abgesehen, was ihre Treuefähigkeit natürlich maßgeblich beeinträchtigt. Ihm liegt laut Hantel-Quitmann eine nicht gelöste ödipale Konfliktthematik zugrunde – in vielen wechselnden oder zeitgleichen Beziehungen und Affären wird immer wieder die Eroberung der eigentlich unerreichbaren Mutterfigur re-inszeniert, auch dies geschieht unbewusst und entzieht sich der logischen Erfassbarkeit.

Auch Robert Betz meint, in allen Paarbeziehungen finden Eltern-Nachhol-Lektionen statt. Wir alle würden mit weitgehend unbewussten Elternverstrickungen in Paarbeziehungen hineingehen. Und solange wir uns nicht die innere, unbewusste Beziehung zu Vater und Mutter der Kindheit bewusst gemacht haben und damit ins Reine gekommen sind, bleiben wir laut Betz in der Wahl unseres Partners und in der Gestaltung unserer Paarbeziehungen unfrei. Und re-agieren womöglich in einer festen Beziehung schon auf kleine Krisen mit Ausbruch – etwa in Form von Affären.

Unser Fazit: Jede Affäre ist anders unlogisch

Wir könnten uns noch unendlich lange weiter mit der Materie befassen, das Resultat wäre vermutlich immer dasselbe: Affären lassen sich allein mit dem Verstand nicht verstehen. Dafür sind einfach viel zu viele Gefühle mit im Spiel. Warum jemand wie und wann fremdgeht, ist immer das Ergebnis einer ganz spezifisch individuellen Entwicklung. Und die hat sehr viel mit dem untreuen Menschen selbst zu tun, aber auch eine Menge mit der Kernbeziehung.

Bei Michael Mary sind wir in diesem Zusammenhang auf einen sehr interessanten Ansatz gestoßen. Buchcover: Mythos Liebe von Michael Mary In Mythos Liebe schreibt er, wir würden unsere Einflussmöglichkeiten in Partnerschaften sowieso grundsätzlich überschätzen – im Guten wie im Schlechten. Das Individuum an sich kann sich nicht wirklich selbst steuern, wie sollte das dann in einer Zweierbeziehung klappen? Eine Beziehung, schreibt der Paarberater, bilde sich aus der Vermischung zweier Persönlichkeiten, genauer gesagt: Sie bilde sich aus der gegenseitigen Durchdringung der unbewussten Persönlichkeitsanteile zweier Menschen. Oookaay, denken Sie jetzt? Mary meint damit nichts anderes, als dass wir uns nicht bewusst in der Liebe entscheiden, sondern von unseren Gefühlen geleitet werden.

Passiert nun ein Seitensprung, dann ist es absurd, zu glauben, man könne vollkommen logisch herleiten, wieso es dazu gerade jetzt und gerade so kam. Das Nichtwissen über die Beziehung und deren Motive sei unendlich viel größer als das Wissen darüber, schreibt Mary. Bewusstes Lieben geht nach dieser Logik also gar nicht, die Suche nach plausiblen Gründen kann eigentlich zu keinem eindeutigen »Ergebnis« führen. Wenn wir uns darüber bewusst werden, können wir vielleicht zumindest die ungeheure Komplexität von Affären begreifen. Und versuchen, einen guten Umgang damit zu finden.



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