Beziehungsfrust: Bleiben, trennen oder ausbrechen?
Trennung ja oder nein? Mindestens jedes dritte Paar stand schon mal vor dieser Frage. Und kam zu der Antwort: Ja, wir trennen uns. 30 Prozent aller Ehen hierzulande enden nämlich mit einer Scheidung. Doch wie können Sie wissen, ob Sie Ihrer Beziehung noch eine Chance geben, heimlich eine Affäre suchen oder sich besser jetzt als später trennen sollen? Krisen gibt es in jeder Beziehung. Es gibt aber deutliche Anzeichen dafür, dass Ihre Liebe tatsächlich vor dem Aus stehen könnte.
Resignieren, rebellieren oder kapitulieren – Aller möglichen Dinge sind drei
Viele Paare kommen irgendwann an den Punkt, wo sie über Trennung nachdenken. Mit den Jahren wird nämlich die heißeste Liebe lauwarm, mit dem Alltag kommt die lustabtötende Liebesroutine. Sex wird immer seltener, Gewohnheit regiert das Zusammenleben und das höchste der Liebesgefühle ist dann oft rein freundschaftlicher Natur. Im schlimmsten Fall sitzen Sie mit dem Partner im Dauerclinch fest und kommen wegen Haus, Hof und Kindern aus der Sache nicht so schnell raus.
Was dann? So weitermachen bis zum bitteren Ende? Den Beziehungsfrust hinnehmen und sich in Geduld üben? Hobbys als Ersatz suchen, durch Lästern Luft ablassen und sich gegenseitig das ein oder andere heimzahlen? Oder gleich ein erotisches Gegengewicht zur Nervbeziehung setzen, etwa per Seitensprung oder Affäre? Eigentlich haben Sie in einer solchen Situation 3 Möglichkeiten:
1. Resignieren & bleiben
Der Klügere harrt aus – das scheint eine weit verbreitete Strategie zur Bewältigung von Beziehungsfrust zu sein. Manch einer erledigt das mittels einer nüchternen Kosten-Nutzen-Rechnung, wie Wolfgang Hantel-Quitmann in Liebesaffären darlegt: Viele Menschen würden heutzutage abwägen, was ihnen eine Beziehung bringt. Je lukrativer diese in emotionaler oder auch ökonomischer Hinsicht erscheint, umso eher wird an der Partnerschaft festgehalten, auch wenn diese nur noch so vor sich hindümpelt.
Resignieren ist hier übrigens gar nicht nur negativ gemeint: Es kann auch heißen, dass Sie sich mit dem bescheiden, was Sie haben. Und das ist klug, wie Michael Mary erklärt. Sinnvoll, so formuliert der Paartherapeut in Mythos Liebe, sei es, die Beziehung als das zu sehen, was sie ist: eine normalerweise etwas unperfekte Einrichtung. Vernünftig wäre es, die Beziehung zu leben, die man hat und sie nicht gewaltsam zu dem machen zu wollen, was sie nunmal nicht sein kann.
2. Rebellieren & fremdgehen
Der Frustrierte bricht aus: Wenn die Beziehung zur Belastung für einen der Partner wird oder er sich emotional ausgehungert und sexuell vernachlässigt fühlt, eine Trennung aber nicht in Frage kommt, begibt sich manch einer auf Seitensprungsuche. Verständlich ist es allemal, wenn Sie bei anhaltendem Liebesmangel auf erotische Nebengedanken kommen.
Fremdgehen kann eine Art Rebellion sein: Anstatt bei dauerhafter Sexflaute und Beziehungsstress in die innere Emigration zu flüchten, brechen einige Menschen aus – etwa, wenn der Leidensdruck in der Partnerschaft oder andere Versuchungen zu groß werden. Wer in seiner Beziehung eine stabile Bindung zum anderen hat, wird Verführungen nicht so schnell nachgeben, meint Paartherapeut Wolfgang Krüger in Das Geheimnis der Treue. Hat sich aber eine zunehmende Entfremdung eingeschlichen, dann sind der Untreue bisweilen Tür und Tor geöffnet.
Fremdgehen kann aber auch ein positiver Lösungsversuch sein: Einer begehrt auf gegen Sex-, Sprach- oder auch Gefühllosigkeit innerhalb der Partnerschaft. Hans Jellouschek zufolge kann das einen heilsamen Effekt haben: Wenn etwa eine Ehe in ungutem Gleichgewicht zu erstarren drohe, könne eine Außenbeziehung ein Versuch sein, diese Erstarrung aufzubrechen, schreibt der Paartherapeut in Warum hast du mir das angetan.
3. Kapitulieren & gehen
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende: Wenn gar nichts mehr geht, dann sollte man gehen. Oft ist eine Trennung Resultat eines langen Entscheidungsprozesses, das Liebesende ist häufig alles andere als ein kurzer Prozess.
Wenn Ihnen Ihre Beziehung seit geraumer Zeit nichts als Ärger, Frust und Kummer bereitet, sollten Sie über diese Möglichkeit nachdenken. Eine Trennung, das meinen Paarberater, kann manchmal ein überfälliger Befreiungsschlag aus einer zerstörerischen Beziehung sein, die beide unglücklich macht.
Time to say goodbye: 6 Anzeichen dafür, dass Ihre Beziehung auf der Kippe steht
Manche Liebesexperten meinen, man weiß intuitiv, wenn eine Beziehung am Ende ist. Wenn Sie allerdings vor dieser schwerwiegenden Entscheidung stehen, trauen Sie manchmal den eigenen Gefühlen nicht. Am einen Tag wollen Sie sofort alles hinwerfen, am nächsten sind Sie wieder ganz hoffnungsfroh. Wenn Sie nicht wissen, ob Sie sich trennen sollen oder nicht, sollten Sie auf diese Anzeichen achten. Denn die deuten darauf hin, dass in Ihrer Beziehung einiges im Argen liegt:
- Kein Sex mehr: Sex ist nicht alles – aber ziemlich viel. Als Beziehungskleber ist körperliche Nähe allein aufgrund der dabei entstehenden Hormone wichtig für eine Partnerschaft. Fehlt jegliche Intimität, finden Zärtlichkeiten und Berührungen nur noch zufällig statt und gehört alles, was mit Sex zu tun hat, in den absoluten Tabubereich, ist es mit der Liebe nicht mehr weit her. So ist Sexfrust auch für 79 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen, die fremdgehen, der Untreueauslöser.
- Kein Streit mehr: Schlucken Sie Ärger runter? Halten Sie seit langem den Mund, wenn Ihnen etwas nicht passt? Kein gutes Zeichen. Denn Streit in Maßen ist gut für eine Partnerschaft, eine konstruktive Auseinandersetzung sogar bindungsfördernd, das ergaben Untersuchungen, wie Werner Bartens in »Was Paare zusammenhält« erklärt. Der richtige Umgang mit Konflikten, schreibt der Wissenschaftsjournalist, sei für die emotionale Haltbarkeit einer Beziehung überaus bedeutend. Wer sich noch streitet, dem liegt noch etwas am anderen. Wer dagegen jedem Konflikt ausweicht, hat eventuell mit der Partnerschaft insgeheim schon abgeschlossen.
- Kein gutes Wort mehr: Geht Ihnen Ihr Partner nur noch auf die Nerven, finden Sie kein gutes Haar mehr an ihm? Mäkeln Sie an allem herum? Das ist Indiz dafür, dass es gewaltig kriselt. Kommen wir noch mal auf Streit zu sprechen: Wichtig ist, wie Sie streiten. Untersuchungen zeigen, dass Paare, die sich früh trennen, sich oft kritisieren und bei Auseinandersetzungen eine Verteidigungshaltung einnehmen, um Argumente und Gefühle des anderen nicht an sich heranzulassen, schreibt Werner Bartens. Partner dagegen, die länger zusammenblieben, hätten im Konfliktfall zwar auch Aggressionen, ließen aber positive Emotionen noch erkennen. Sprich: Neben Verachtung und Wut gab es auch versöhnliche Worte und einen respektvollen Umgang. Fehlt das gänzlich, sind womöglich Hopfen und Malz verloren.
- Keine Gemeinsamkeiten mehr: Distanz ist gut – wenn Sie aber so rein gar nichts mehr mit Ihrem Partner verbindet außer vielleicht lästigen Alltagspflichten, dann sieht's düster aus für Ihre Beziehung. In der müssen Sie Nähe und Distanz austarieren, schlecht ist, wenn das eine oder das andere völlig fehlt.Meist sei die Entfremdung ein schleichender Prozess, erklärt Wolfgang Krüger in »Freiraum für die Liebe«. Man lebt sich auseinander, unternimmt nichts mehr gemeinsam, investiert kaum noch in die Beziehung. Dann reißen all die kleinen Bindungsfäden und die Partnerschaft hängt am seidenen Faden. Der bekanntlich nicht sehr tragfähig ist. Fehlen jegliche Berühungspunkte dauerhaft, ist das ziemlich bedenklich.
- Kein Respekt mehr: Wenn Sie Ihren Partner ständig niedermachen, ihm seine Schwächen unter die Nase reiben, sich illoyal verhalten und Schadenfreude empfinden, wenn der andere einstecken muss, dann befinden Sie sich im Kampfmodus. Grundsätzlich sei das normal in Langzeitbeziehungen, meint Arnold Retzer. Wer sich nahekomme, komme sich ins Gehege, schreibt er in »Lob der Vernunftehe«. Ärger, Ekel und andere Gefühle, die Respekt vermissen lassen, seien meist vorhanden. Die Frage sei nur, wie man damit umgehe: Wer es nicht schafft negative Empfindungen in ihre Schranken zu verweisen, sondern seine Abneigung dem anderen gegenüber züchtet, der sorgt für wirksame Zerrüttung.
- Kein Engagement mehr: Die Plauze wird immer mächtiger, der Jogginganzug ist Lieblingskleidungsstück und Schminke gibt’s nur noch bei besonderen Anlässen? Wenn Sie sich seit längerem gehen lassen, weist das darauf hin, dass Sie kein Bedürfnis mehr danach verspüren, für den anderen attraktiv zu sein. Wer Gewicht, Aussehen und Kleidung vernachlässigt und meint, sich für den Partner optisch gar nicht mehr ins Zeug legen zu müssen, der sollte mal nachdenken. Denn, das beweisen Untersuchungen, Äußerlichkeiten spielen auch in Langzeitpartnerschaften eine Rolle, schreibt etwa Werner Bartens. Und das mit Wechselwirkung: Wer in der Partnerschaft darauf achtet, dass die Figur in Form bleibt und die Frisur sitzt, animiert den anderen auch dazu, attraktiv zu bleiben. Wer sich gar keine Mühe mehr gibt, für den anderen ansehnlich zu sein, hat vielleicht auch an der Fortführung der Beziehung kein Interesse mehr.
Fazit: it's not over until it's over
Selbst wenn Sie in Ihrer Partnerschaft alle Zeichen der Zerrüttung ausmachen, heißt das noch lange nicht, dass Sie am Ende Ihres gemeinsamen Weges sind. Im Gegenteil: Experten halten gerade unglückliche Beziehungen für ziemlich haltbar, manche Menschen verbindet Hass mehr als es Liebe zu tun vermag.
Wenn Sie schwanken, ob Sie sich trennen oder mit Ihrem Partner zusammen bleiben sollten, lohnt sich eine Beziehungsanalyse, eventuell mit professioneller Unterstützung. Der erfahrene Paartherapeut Wolfgang Krüger etwa sagt im Interview mit der Seitensprung-Fibel, wenn ein Paar den Eindruck habe, es drehe sich bei Streitigkeiten immer im Kreis und emotional bestehe eine auswegslose Situation, wenn sich beide aus dem Weg gehen und an Scheidung denken, wäre eine Paartherapie ratsam. Auch wenn deren Resultat die finale Trennung ist. Ob eine Beziehung zu retten sei, könne man ohnehin nie sagen. Es gebe, so Krüger, sehr schwierige Entwicklungen. Die Beziehung sei sehr gestört, wenn die Partner sich kaum ausreden ließen und eine ausgeprägte Machtehe führen. Auch wenn der Humor gänzlich fehlt und keiner die Bereitschaft zeigt, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen, wird es kompliziert.
Der Weg aus einer solchen Krise kann manchmal nur über eine Trennung geschehen. Muss aber nicht – Sie sollten selbst herausfinden, wie viel Ihnen noch am anderen liegt und welchen Einsatz Sie noch bereit sind, für die Beziehung zu bringen.