Was bei der Liebe im Gehirn passiert

Lachende junge Frau die eine Herz in der Hand hält

Was ist Liebe –  Die neurowissenschaftliche Seite der Liebe

Wieso ist Liebe vergänglich, weshalb gehen wir fremd, warum ist Sex so wichtig? Falls Ihnen die üblichen Antworten nicht reichen, dann lesen Sie hier, wie uns Hormone, Gene und Botenstoffe bisweilen in der Liebe hinterrücks überlisten.

Buchcover:Schmutzige Gedanken. Wie unser Gehirn Liebe, Sex und Partnerschaft beeinflusst von Kayt Sukel Aus Liebeserfahrungen werden wir nach Meinung der amerikanischen Psychologin Kayt Sukel auch nicht wirklich klüger, in Zweifelsfällen berufen wir uns gerne auf unsere Biologie, resümiert Sukel in ihrem Buch Schmutzige Gedanken. Was liegt da näher, als auch mal die Neurowissenschaften zu befragen? Dieser Wissenschaftsbereich scheint als Schmelztiegel aus Gebieten wie Biologie, Genetik, Evolutionsforschung, Psychologie, Computerwissenschaften (können Sie noch?) und Medizin prädestiniert dazu, Antworten zu liefern.

Erklär uns einer die Liebe:
6 neurowissenschaftliche Erkenntnisse

1. Liebe ist.... die größte Belohnung

Warum verlieben wir uns eigentlich? Neurowissenschaftler antworten darauf erstmal ziemlich nüchtern: Wir können gar nicht anders, als immer wieder nach der Liebe zu suchen, weil sie ist...TATATATAAA...ein Trieb. Und ein Trieb ist etwas, dem wir uns kaum widersetzen können. Ähnlich wie Hunger und Durst ist das ein physischer Drang.

Die romantische Liebe sei keine Emotion, meinen Forscher. Sie diene grundsätzlich dazu, die Fortpflanzung zu fördern und uns dabei psychologisch zu helfen, indem wir uns an andere binden. Ist Liebe gleich Lust? Diese Frage haben sich auch die Neurowissenschaftler gestellt. Und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass romantische Liebe etwas Eigenständiges ist, aber mit Bindung und Lust eng zusammengehört, schreibt Kayt Sukel. Lust sei das einfachste der drei hypothetischen Systeme, und eine Art reflexartiger Prozess, der uns immer wieder zum Sex antreibt.

Und wo im Hirn spielt sich das mit der romantischen Liebe eigentlich ab? Interesssanterweise in einem Bereich in der Nähe des Hirnstamms, der am Entstehen von Euphorie beteiligt ist und das Belohnungssystem mitsteuert. Dieser Gehirnbereich sei Teil eines dopamingetriebenen Schaltkreises, des sogenannten mesolimbischen Systems, schreibt Sukel. Hinzu kommt, dass wir für Liebe belohnt werden. Zunächst einmal mit jeder Menge Dopamin. Der Botenstoff ist ein wichtiger Neurotransmitter, auch als »Glückshormon« bezeichnet. Dopamin wird nicht nur nach dem Sex ausgeschüttet, sondern auch bei zwischenmenschlichen Interaktionen produziert: Wenn Sie mit Freunden lachen, mit Ihrem Liebsten Händchenhalten oder gestreichelt werden. Die Dopaminausschüttung aktiviert das Belohnungssystem massiv, dadurch geraten wir in einen Rausch der Euphorie – und werden mit wunderbaren Gefühlen überschwemmt.

2. Liebe ist... die beste Droge

Und das macht süchtig, erkannten Neurowissenschaftler, die herausfinden wollten, wo im Kopf Liebe geortet werden kann. Anhand von Hirnscans verliebter Menschen untersuchten sie, welche Regionen aktiv sind. Das Ergebnis: Bei allen Versuchspersonen leuchteten die gleichen vier Hirnareale auf. Und jetzt kommt's: Die Orte, an denen sich Liebe in unseren Köpfen abspielt, decken sich zu großen Teilen mit Regionen, die auch auf Drogen ansprechen.

Sex etwa kann wie ebenfalls eine Droge sein: Was beim Liebesspiel in unserem Oberstübchen passiert, gleicht den Effekten von Heroin oder Kokain. Sobald wir sexuell erregt sind, erzeugt Dopamin einen unwiderstehlichen Drang zum Weitermachen, bis der Begierde ein Orgasmus folgt und sich die Aktivität in weiten Gehirnteilen verringert. Zugleich werden bei Verliebten auch Hirnareale deaktiviert, die mit negativen Gefühlen einhergehen, beispielsweise die, die für die kritische Beurteilung eines Menschen verantwortlich sind. So zeigen bestimmte Gerhirnpartien im akuten Verliebtheitszustand einen verringerten Blutfluss. Einige Forscher meinen, dies sei Zeichen dafür, dass bei Verliebten Urteilsvermögen und Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sein können.

Liebe macht also wirklich blind? Anfangs zumindest, meinen Experten: Erwischt es uns, dann befinden wir uns vielleicht in einem mehr oder minder vorübergehenden Zustand der Unzurechnungsfähigkeit.

3. Liebe ist.... Hormonrausch

Wenn wir lieben, brodelt in unseren Körpern ein wahrer Hormoncocktail. Östrogen und Testosteron etwa geben sich dann die Klinke in die Hand. Auch aus neurowissenschaftlicher Sicht lässt sich sagen, dass unsere Hormone die treibende Kraft hinter unserem Liebesstreben sind.

Oft wird so getan, als sei das geschlechtsspezifisch: Die Jungs strotzen vor Testosteron, in den Mädels wütet das Östrogen. Aber tatsächlich finden sich in Männer- und Frauengehirnen erhebliche Mengen beider Hormone. Sie arbeiten zusammen, aber manchmal auch gegeneinander und helfen uns bei Partnersuche und Liebe. Dabei können sie uns auch ganz schön in die Irre führen.

Östrogen etwa ist ein regelrechtes Teufelszeug: Männer beispielsweise bewerten Geruch, Gesichtszüge und Körpersymmetrie von Frauen zur Zeit ihres Eisprungs – wenn also ihr Östrogenspiegel am höchsten ist – durchgehend attraktiver als zu anderen Zeiten. Außerdem zeigten Untersuchungen, dass Frauen mit einem hohen Östradiolpegel (einer Form von Östrogen) einen festen Partner mit höherer Wahrscheinlichkeit betrügen.

Und Frauen stehen an ihren fruchtbaren Tagen besonders auf ausgeprägt männliche Gesichter. Man vermutet, dass der dann erhöhte Östrogenpegel dafür sorgt, dass Frauen in dieser Zyklusphase einen bestimmten Typ von Mann, nämlich den eindeutig maskulinen, als Partner bevorzugen.

Aber: Die Hormone bestimmen nicht unser Verhalten. Denn auch unser Verhalten beeinflusst unsere Hormonproduktion, wie Neurowissenschaftler zeigen konnten. Das Ganze ist ein komplexes Zusammenspiel mit vielen Faktoren.

4. Liebe ist... oberflächlich

Klar, innere Werte wie Intelligenz und Humor sind eine nette Sache. Eigentlich geht aber nichts über das Aussehen: Studien zufolge werden Männer und auch Frauen primär von äußerlichen Reizen angezogen. Der Zusammenhang zwischen Attraktivität und Liebesgefühlen ließ sich nachweisen. Forscher untersuchten, wo sich im Gehirn zeigte, ob jemand ein Kunstwerk oder Musikstück für schön hält. Die Aufnahmen ergaben, dass das Sehzentrum reagierte, wenn ein Bild betrachtet wurde, und beim Musikhören das auditorische Zentrum des Gehirns aktiv wurde.

Der orbitofrontale Kortex, der Hirnbereich direkt hinter der Stirn, der für Emotionskontrolle und soziale Anpassung zuständig ist, reagierte dagegen auf beide Arten von Sinneseindrücken. Er war umso aktiver, je schöner die Versuchspersonen das Gezeigte fanden.

Sobald visuelle Schönheit empfunden wurde, reagierte noch ein weiteres Hirnzentrum: Die Aktivität des Nukleus Caudatus, im Zentrum des Gehirns gelegen, nahm proportional zur gefühlten Schönheit zu. Dieser Hirnbereich gilt, wie wir oben erfahren haben, als Sitz der romantischen Liebe. Nach Ansicht der Forscher könnte dies auf eine neuronale Verbindung zwischen Liebe und Schönheit hindeuten.

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5. Liebe ist... vor Untreue-Genen nicht sicher

»Ich kann nichts dafür, ich habe eine Gen-Variante, die untreu macht!« Klingt dämlich, ist aber nicht ganz falsch. Neurowisschenschaftliche Untersuchungen etwa zeigen, dass Menschen mit diesem Gen tatsächlich ihre Partner öfter betrügen. Wie kommt's?

In einer amerikanischen Studie wurden Frauen und Männer zu ihrem Liebesverhalten befragt und anschließend untersucht. Dabei kam heraus, dass das Viertel der Befragten, die angaben, ihrem Partner mehr als einmal untreu gewesen zu sein, die Gen-Variante DRD4, ein Dopamin-Rezeptor-Gen, aufwiesen. Das Fremdgeh-Gen beeinflusst den Level des Botenstoffes Dopamin im Gehirn. Menschen mit diesem Gen erleben Forschern zufolge beim Betrügen ihrer Partner den gleichen Rausch wie alkohol- oder spielsüchtige Menschen.

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Auch schwedische Wissenschaftler fanden heraus, dass Männer mit einer bestimmten Variation eines Gens, das vermutlich für die Verarbeitung des Hormons Vasopressin verantwortlich ist, in monogamen Partnerschaften mit höherer Wahrscheinlichkeit Probleme bekamen als andere. Können Fremdgänger also gar nichts dafür? Sind sie Opfer ihrer genetischen Prägung? Das wäre doch zu einfach. So ist es auch nicht: Träger bestimmter Gen-Varianten sind eher bereit, riskante sexuelle Verhaltensweisen auszuprobieren, stellten die Forscher fest – was allerdings keine verlässlichen Rückschlüsse auf ihr tatsächliches Treueverhalten zulässt.

Denn nicht jeder Mensch mit diesem Genotyp geht auch wirklich fremd. Dazu gehört auch aus neurowissenschaftlicher Sicht viel mehr. Gene sind nicht alles – wir können immer noch aktiv Hirnbereiche nutzen, die den Verstand lenken.

6. Liebe ist.... vergänglich

Das eine ist, die große Liebe zu finden. Das andere, sie zu bewahren. Und zwar auf Dauer. Fakt ist, dass sich die romantische Liebe im Laufe einer Beziehung dynamisch verändert. Auch die Aktivierungsmuster im Gehirn werden mit der Zeit anders. Kurzum: Liebe altert, nach etwa 6 Monaten Beziehung haben so Neurowissenschaftler auch eine reduzierte Aktivierung der entsprechenden Hirnareale bei Liebenden festgestellt, schreibt Kayt Sukel. Also läuft dann nichts mehr, weil der Ofen schlicht und ergreifend aus ist?

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Ja und nein. Ja, weil tatsächlich auch in unserem Oberstübchen nach Dauerreizen eine Gewohnung stattfindet und wir nicht mehr so massiv auf bekannte Impulse reagieren und unser neuronales Belohnungssystem auf derartige Reize nicht mehr so effektiv anspringt. Nein, weil es ja durchaus Fälle gibt, in denen Paare über Jahrzehnte hinweg leidenschaftlich verliebt bleiben. Auch aus neurowissenschaftlicher Sicht sind wir nicht unbedingt gemacht für ewiges Leidenschaftsglück – denn das nutzt sich irgendwann ab. Das Forscherfazit lautet so denn auch: Vermutlich gibt es im Gehirn spezielle Mechanismen, die uns helfen, Leidenschaft zu erhalten. Aber wie genau die funktionieren, weiß bisher niemand.



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