Mächtige Leidenschaft – wenn Sex in der Beziehung zum Machtinstrument wird

»Heute hab ich keine Lust, Schatz!« Wenn einer keinen Sex haben will, ist daran nichts verwerflich – nicht immer haben beide ein gleich großes Bedürfnis nach Zärtlichkeiten. Verweigert ein Partner allerdings regelmäßig Sex, um den anderen zu strafen oder eigene Bedürfnisse durchzusetzen, wird es problematisch.

»Es hat der die Macht,
der weniger Sex möchte.«

Dr. Wolfgang Krüger im Interview mit seitensprung-fibel.de

Sex ist ein extrem weites Feld. In keinem anderen Bereich sind wir so verwundbar und emotional so »nackt«, nirgendwo anders wird Zurückweisung als so persönlich empfunden. Das verleiht beiden Partnern eine Art natürlicher Macht: Wie viel Sex sie zulassen, entscheidet nicht zuletzt darüber, wie viel emotionale Nähe möglich wird. Dabei richtet sich in vielen Beziehungen Sex nicht nach Lust und Laune, sondern nach den Absichten, die ein Partner dabei verfolgt.

Im partnerschaftlichen Machtpoker gehe es nüchtern betrachtet immer um die Frage, was jeder dem anderen zu geben habe, schreibt Dr. Wolgang Krüger in seinem Buch Liebe, Macht und Leidenschaft. Bei der Sexfrage trete das recht offen zutage: Jeder Machtkampf bedeute, dass einer dem anderen etwas vorenthalte und es ihm nur gebe, wenn er die an ihn gestellten Ansprüche erfülle. Im »Vorteil« ist dabei laut Krüger der Partner, der weniger Sex möchte. Er kann Druck ausüben, indem er Sex verweigert und den anderen damit in die Rolle des Bedürftigen drängt, der abhängig ist von der Sexwillkür des anderen. Die gezügelte Lust macht diesen Partner mächtig. Wer dagegen lange darauf warte, ob es doch noch Sex gebe, werde ohnmächtig, schreibt Krüger.

Die Themen dieses Beitrags:

Kampf der Triebe: Wenn Sex als Druckmittel eingesetzt wird

56 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer halten Liebes- und Sexentzug für eine gerechte Strafe bei Beziehungsstress, zeigt eine Studie der Frauenzeitschrift Freundin. Entsprechend häufig werden Partner mit unfreiwilliger Sexabstinenz konfrontiert. Das belegt auch eine aktuelle Umfrage des Partner- und Erotikabenteuer-Portals Lovepoint. Mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich satte 54 Prozent, machten demnach bereits unfreiwillig mit einem längeren Sexentzug Bekanntschaft. Harmlos fanden das die wenigsten, 90 Prozent leiden darunter. In einer intakten Beziehungen kann es immer mal wieder magere Sexzeiten geben. Bei manchen Paaren allerdings ist das Resultat davon, dass einer der beiden Partner Sex im alltäglichen Liebeskampf instrumentalisiert.

6 Zeichen dafür, dass Ihr Partner Sex als Druckmittel einsetzt

  • Wenn es Streit gibt, reagiert Ihr Partner immer mit Sexentzug.
  • Wenn Du jetzt zum Fußball gehst, kannst Du heute Nacht vergessen!« Ähnliche Sätze bekommen Sie regelmäßig zu hören..
  • Ihre Annäherungsversuche wehrt Ihr Partner meistens ab, er bestimmt, wann es Sex gibt.
  • Ihre Verführungskünste zieht Ihr Partner ins Lächerliche.
  • Wenn Sie keine Lust auf Sex haben, quengelt Ihr Partner herum, bis Sie nachgeben..
  • Ob es um die Länge des Liebesspiels, den Ort dafür, die Techniken oder das Nachspiel geht – Ihr Partner setzt sich mit seinen Vorstellungen immer durch.

Jede dritte Frau (31 Prozent) und jeder vierte Mann (24 Prozent) sieht bei dauerhaftem Sexentzug eine Trennung als einzige Lösung.

Umfrage von Lovepoint.de: Mehr als die Hälfte von Sexentzug betroffen | 2016

Sex als Druckmittel: Die Big Four

In dubio pro reo: Bevor Sie Ihrem Partner einen Vorwurf machen, sollten Sie überlegen, warum der andere sich in bestimmten Situationen verweigert. Es kann immer berechtigte Gründe geben, auch Sie tragen durch Ihr Verhalten einen Teil bei. Aber es gibt Tendenzen, die sich verselbstständigen – darauf sollten Sie achten.

1. Strafe: »Weil Du das getan hast, gibt es keinen Sex«

So läuft es ab: Konflikte gehören zum Beziehungsalltag, im Idealfall entwickeln Paare eine Streitkultur, die eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe ermöglicht. Bei manchen klappt das weniger gut, sie vergelten empfundenes Fehlverhalten mit Verweigerung: Körperliche Nähe wird unterbunden, Sex ausgesetzt. So kann die Sexfrage zum Rachespielchen werden: Will der eine Sex, sagt der andere Nein – als Vergeltung für die letzte Abfuhr. Die implizite Botschaft lautet dann: Sex gibt es nur, wenn alles in der Beziehung stimmt.

Darum geht es: Der Partner, der sich durch den anderen verletzt, missachtet oder gekränkt fühlt, straft den anderen ab, indem er seine Macht beim Sex ausspielt – eben durch Verweigerung. Liebe und Macht gehören zusammen, schreibt Wolfgang Krüger in »Liebe, Macht und Leidenschaft«. Auch beim Sex laufen seiner Ansicht nach Machtprozesse ab, die destruktiv werden können – wenn die Sexfrage zu einem Liebesbattle wird. So etwas kann sich schleichend entwickeln, zu verhärteten Fronten führen und letztlich in eine Pattsituation münden, in der keiner nachgibt.

2. Emotionale Manipulation: »Mach, was ich will!«

So läuft es ab: Die einen nennen es Taktik, die anderen Manipulation – wenn ein Partner seine Bedürfnisse auf Kosten des anderen durchzuboxen versucht und dabei Sex einsetzt. Das kann recht freundlich ablaufen, indem Ihr Partner Sie umschwärmt, Ihnen Sex in Aussicht stellt – wenn Sie nach seiner Pfeife tanzen. Falls Sie aber nicht gleich die Beine schwingen, wird Ihr Partner ärgerlich und verweigert Sex. Die implizite Botschaft lautet dann: Sex gibt es nur zu meinen Konditionen.

Darum geht es: Auch Sex ist in einer Beziehung ein Kompromissgeschäft. Zwei Menschen müssen sich auf etwas einigen, müssen einen gemeinsamen Weg zu erotischer Erfüllung finden. Dazu gehört, dass sich jeder der eigenen Vorlieben und Bedürfnisse bewusst ist, die des anderen akzeptiert und den Mut hat, offen darüber zu sprechen. An dieser Offenheit mangelt es emotionalen Manipulatoren, meint die Amerikanerin Susan Forward. In Emotionale Erpressung schreibt sie, Menschen, die ihren Partner mittels Sex zu steuern versuchen, sind oft selbstunsicher und haben nicht gelernt, ihre Bedürfnisse zu artikulieren, etwa aus Angst vor Zurückweisung.

3. Erpressung: »Wenn Du das nicht tust, dann gibt's keinen Sex«

So läuft es ab: Dies ist sozusagen die nächste Eskalationsstufe. Hier geht der Partner weniger subtil vor, er macht klare Ansagen und instrumentalisiert körperliche Nähe und damit Ihre Bedürfnisse für seine Zwecke. »Sex kannst Du so vergessen«, ist ein Kommentar, den Sie für vermeintlich ungebührliches Verhalten kassieren könnten. Damit droht Ihr Partner Ihnen, sich zu entziehen, wenn Sie nicht ganz auf ihn eingehen. Die implizite Botschaft lautet dann: Nur wenn Du tust, was ich will, bekommst Du Sex.

Darum geht es: Absurderweise ist hier eigentlich der Erpresser der schwächere Part – denn ihm steht nur die Druckausübung zur Verfügung, um sich durchzusetzen. Er sieht als einzige Möglichkeit, zum wie auch immer gearteten Ziel zu kommen, indem er Ihnen körperliche Nähe als Köder offeriert. Durch geschickte wenn-dann-Ansagen koppelt er Sex an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die keine Alternative dulden. Damit werden auch andere Beziehungskonflikte verlagert, das Erotikleben mutiert zum Kampfschauplatz, auf dem Gefechte ausgetragen werden, die verbal nicht zu lösen sind.

4. Passive Aggression: »Schade, dass Du so bist…«

So läuft es ab: Enttäuschung kann ein effektiver Druckhebel sein. Anstelle heftiger Vorwürfe oder klarer Ansagen werden Sie mit den negativen Gefühlen Ihres Partners konfrontiert: Er oder sie würde ja grundsätzlich gerne Sex mit Ihnen haben – wäre er oder sie nicht so traurig über das, was Sie getan (oder auch nicht getan) haben. Ihr Partner stilisiert sich hier zum Gefühlsopfer, das von Ihnen so enttäuscht ist, dass keine Lust aufkommen kann. Dabei bleibt Ihr Partner passiv, bringt sich in die Rolle desjenigen, der getröstet werden muss. Aggressiv ist es unterschwellig, denn es zielt darauf ab, dass Sie Schuldgefühle entwickeln, sich schlecht vorkommen, weil Sie Ihren Partner verletzt haben. Die implizite Botschaft lautet dann: Du musst etwas tun, damit ich Sex mit Dir haben kann.

Darum geht es: Bei dieser Variante scheint Ihr Partner im Vorteil zu sein. Denn nicht er ist Verursacher des Sexmangels, sondern Sie sind das. Ergo ist es auch an Ihnen, etwas zu tun, damit sich die Situation ändert. Psychologisch betrachtet steckt hinter dem Begriff der passiven Aggression so etwas wie eine verdeckte »Rebellion« gegen das angeblich Mächtige und Überlegene. Als passiv-aggressiv gilt dabei die indirekte Art, seinem Ärger oder Kummer Ausdruck zu verleihen – hinter einer Maske der Harmlosigkeit, nämlich der Enttäuschung.

Warum Sex als Druckmittel eingesetzt wird

Liebesphänomen Beziehungsmobbing

Manchmal hat er es gar nicht anders verdient: Um dem Partner eins auszuwischen, lassen sich manche einiges einfallen. Wäsche nicht waschen, Autoschlüssel verstecken oder Grüße nicht ausrichten – das Spektrum reicht von kleinen, fiesen Aktionen bis zu größeren Racheakten. Laut einer Umfrage der Frauenzeitschaft Freundin hat jede dritte Frau und jeder vierte Mann im Alter von 18 bis 65 Jahren schon einmal Mobbing in der eigenen Beziehung erlebt. Auch Sex fällt hierbei unter Mobbingverdacht – als sehr effiziente Retourkutsche für Schlechtbehandlung.

Typisch Frau?

Besonders Frauen sollen auf sexuelle Verweigerung setzen. Dass sie Sex als angemessenes Druckmittel in der Beziehung betrachten, erklären Forscher damit, dass Frauen in Bezug auf Sex anders sozialisiert sind als Männer. Sie werden in der Kindheit dazu erzogen, ihre Lust zu zügeln, nicht offen zu zeigen und zu steuern. Zudem ist der weibliche Trieb anders ausgerichtet als der von Männern: Für viele Frauen spielen Nähe, Aufmerksamkeit und Harmonie eine übergeordnete Rolle für die Entstehung ihrer Lust. Mädchen lernen angeblich früh, dass sie mit ihrem Körper und ihrer Begierde Macht über einen Mann ausüben können – das erlernte Verhalten setzen sie dann auch in der Beziehung ein.

Eine Frage der Beziehung

Ein Grund kann auch in der Beziehungskonstellation liegen, etwa, wenn sich einer dem anderen sehr unterlegen, oder nicht gleich intensiv geliebt fühlt und in der Steuerung des Sexlebens die einzige Möglichkeit sieht, seine Minderwertigkeitsgefühle zu bewältigen.

Auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle

Menschen mit geringem Selbstbewusstsein scheuen häufig vor offenen Konflikten zurück und greifen zu unbewussten Machtstrategien. Auch narzisstisch veranlagte Menschen instrumentalisieren Sex, um sich einen Machtvorteil zu verschaffen. Aufgrund ihrer wenig ausgeprägten Selbstliebe kann Körperkontakt für sie zum Konsumgut werden, dass sie für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Wurzeln in der Kindheit

Wolfgang Krüger sieht die Wurzeln auch in der Kindheit. Im Interview mit seitensprung-fibel.de erklärt er, meist habe jemand, der Sex nutzt, um den anderen unter Druck zu setzen, in der Kindheit gelernt, Macht über die Eltern durch Verweigerung herzustellen: Um deren Autorität einzuschränken, habe sich das Kind zurückgezogen, Erwartungen nicht erfüllt und Gegenattacken eingesetzt. Später greife es als Erwachsener auf diese Strategie zurück: Er schränke den Partner ein, indem er auf dessen Begehren nicht eingeht.

Fazit: Machen Sie sich nicht erpressbar!

Jeder kennt das: Man will gerade gerne Sex haben, der andere ist aber nicht so in Stimmung. Das kann auch eine prickelnde Spielart sein: Einer ziert sich ein wenig, um sich dann genüsslich verführen zu lassen. Allerdings verschwimmen die Grenzen hier oft. Denn ob es sich um emotionale Manipulation, Erpressung oder gar Strafe handelt, ist häufig nicht klar ersichtlich. Das Pokern um Sex kann schleichend zur Norm im Liebesleben werden. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten Sie gegensteuern:

  • Lassen Sie sich nicht manipulieren: Wenn Ihr Partner mittels Sex Druck auf Sie ausübt, sprechen Sie das an und beziehen Sie klar Stellung dazu.
  • Stellen Sie Abstand her, rät Wolfgang Krüger. Machen Sie sich rar, entziehen Sie sich. Dadurch ändern Sie die Machtverhältnisse so, dass der distanzierte Partner wieder Sehnsucht bekommt.
  • Rächen Sie sich nicht mit Sexverweigerung, geben Sie auch einmal nach – aber thematisieren Sie dies sachlich.
  • Versuchen Sie, nicht in den »Wie-Du-mir, so-ich-Dir-Teufelskreis« zu geraten – damit bewirken Sie nur, dass Sex zum komplziertesten Akt in Ihrer Beziehung wird.

 

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