Treue auf Widerruf, Treue auf Zeit: Serielle Monogamie statt Ehe?
Serielle Monogamie statt Ehe?

Serielle Monogamie: Hat die lebenslange Ehe ausgedient?

In Sachen Liebe geht es uns gut. Richtig gut sogar. Wir dürfen uns in einer modernen Gesellschaft, die weder von Krieg, Armut oder ständigen Naturkatastrophen erschüttert wird, den Luxus der Selbstreflektion genehmigen. Über individuelle Wünsche nachdenken, träumen, uns weiterentwickeln, Soul Searching betreiben und in uns hineinspüren, wo die Reise hingehen soll.

Dank eines aufgeklärten, emanzipierten Klimas werden wir auch nicht zwangsverheiratet, sondern dürfen uns im Laufe unseres Lebens immer wieder neu entscheiden, ob und mit wem wir dieses teilen möchten.

Das Beziehungsmodell der »seriellen Monogamie« wird derzeit als zukunftsfähige Partnerschaftsform heiß diskutiert – und erbittert von Befürwortern der lebenslangen Ehe kritisiert. Dass die serielle Monogamie polarisiert, ist klar. Vereint sie doch die beiden größten Bedürfnisse eines modernen Menschen: Erfüllung der Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Partnerschaft bei gleichzeitiger Selbstverwirklichung.

Was serielle Monogamie ist – und was nicht

Fangen wir damit an, was sie nicht ist: Promiskuität. Serielle Monogamie bedeutet keineswegs, in einem freizügigen Lebensstil ständig die Sexualpartner zu wechseln und sich auf keinerlei echte Beziehung einzulassen. Das ist Polygamie.

Wer serielle Monogamie lebt, der geht mit dem geliebten Partner eine verbindliche, monogame Liebesbeziehung ein. Heiratet vielleicht sogar, bekommt Kinder, führt eine Lebensgemeinschaft mit diesem Menschen. Jedoch ohne dabei das tonnenschwere Dogma »bis dass der Tod euch scheidet« im Gepäck mitzutragen und die gesamte Lebensplanung vom Bestand dieser Beziehung abhängig zu machen.

Wenn die Liebe schwindet und sich kein gemeinsamer Nenner mehr finden lässt, wird die Partnerschaft nicht zwanghaft aufrechterhalten, sondern beendet. Im Grunde lebt also jeder seriell monogam, der mehr als eine ernsthafte Beziehung in seinem Leben hatte. So brandneu ist das Konzept nicht. Nur hat es im 21. Jahrhundert einen griffigen Namen bekommen. Und der scheint ein Stein des Anstoßes für konservative Soziologen zu sein.

Das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie veröffentlichte 2009 hierzu einige Fakten. Dass die aktuelle Scheidungsrate sich dauerhaft bei gut 40 Prozent eingependelt hat, ist keine wirkliche Überraschung. Auch wissen wir, dass immer weniger geheiratet wird. Zwischen den 70er Jahren und heute hat sich die Zahl der Menschen, die zeitlebens unverheiratet bleiben, mehr als verdreifacht. Außerdem stellte der Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt in seiner Studie über »Spätmoderne Beziehungswelten« fest: Menschen mit Jahrgang 1942 haben bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag durchschnittlich 1,9 Beziehungen erlebt, während die 1972 Geborenen fast doppelt so viele erleben, nämlich 3,7.

Die Überraschung: Trotz dieser Entwicklung bleibt die »Paar-Lebenszeit«, also die Zeit, die ein Mensch innerhalb einer Beziehung lebt, konstant! Grundsätzlich sind wir also keineswegs beziehungsmüde, sondern bindungswillig. Nur eben nicht unbedingt ein Leben lang mit ein und demselben Partner.

Wie konnte das passieren?

Die Soziologin Rosemarie Nave-Herz vermutet: »Die Ehe wird bei uns derart überfrachtet mit Erwartungen, mit immateriellen Leistungsansprüchen, dass das Ganze leicht in Überforderung umkippt.« Da ist etwas dran. Denn Leistungsansprüche und Liebe vertragen sich nicht.

Wird aus dem anfänglichen Füreinander-sorgen-wollen stillschweigend ein »nun mach mich gefälligst glücklich«-Anspruch, hat das mit Liebe nicht mehr viel zu tun. Übrigens entgegen des Klischees kein weibliches Problem! In einschlägigen Beziehungsforen lässt sich auf vielen Seiten nachlesen, dass auch Frauen unter dem emotionalen Anspruchsdenken ihrer Partner leiden.

Was zwangsläufig schiefgehen muss, denn schließlich ist eine Ehe keine Glücklichmach-Zaubermaschine, sondern eine Partnerschaft zweier erwachsener Menschen. Diese bleiben für ihr individuelles Glück auch dann verantwortlich, nachdem sie sich das Jawort gegeben haben.

Wird diese Verantwortung an den Partner delegiert, entsteht Leistungsdruck. Der setzt eine Spirale in Gang, die im ungünstigsten Fall eine Ehe ruinieren kann. Erwartungsdruck, trotziger Gegendruck, Distanz, eingeschränkte Kommunikation, Misstrauen, Unzufriedenheit. Gleichzeitig schwindet die Lust, sich konstruktiv mit dem Beziehungsklima auseinanderzusetzen. Bis zur ersten Affaire ist es unter Umständen dann nicht mehr weit.

Doch selbst in Beziehungen, die nicht durch Erwartungs- und Leistungsdruck belastet werden, kann eines Tages die Liebe verschwinden. Sei es durch persönliche Entwicklung in unterschiedliche Richtungen oder das Auftauchen eines neuen Partners.

Genau an diesem Punkt bekommt das Modell einer lebenslanger Beziehung Risse. Liebe lässt sich nun mal nicht erzwingen, einfordern oder künstlich erzeugen. Man fühlte sie, wenn sie da ist. Im Idealfall ein Leben lang. Oder eben nicht. Wenn sich nun in einer Beziehung diese Liebe nicht mehr spüren und leben lässt, und auch Wiederbelebungsversuche fehlschlagen, warum dann weiterhin zusammenbleiben? Aus Pflichtgefühl? Gewohnheit? Wegen einer staatlich beglaubigten Urkunde? Aus finanziellen Gründen? Der Kinder oder Schwiegereltern wegen? Oder ganz direkt gefragt: Ist Glücklichsein wollen egoistisch?

Dieser Artikel hat 2 Seiten. Lesen Sie auch . . .

Seite 1: Serielle Monogamie: Hat die lebenslange Ehe ausgedient?
Seite 2: Partnerschaft: Ist Glücklichsein wollen egoistisch?

»Was meinen Sie? Ist die serielle Monogamie unserer Gegewartsgesellschaft angemssen? Hat die lebenslange Ehe ausgedient oder macht die lebenslange Zweisamkeit uns Menschen doch glücklicher?« Jetzt kommentieren
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Jens || 06.11.2018 12:12:08

serielle monogamie ist gut für die, die leicht einen neuen partner finden aber ein zerstörerischer gedanke für alle die, die nach beständigkeit und bindung suchen und bereit sind, von vorne rein für die beziehung zu arbeiten und dabei im partnermarkt im unteren drittel rangieren.

Tom R. || 29.10.2017 22:11:37

Wir Menschen sind nun mal Egoisten, oder? Ein Treuebruch fängt bei den meisten schon an, wenn wir mit anderen Frauen/Männern flirten.
Ich glaube an soziale Treue, zwei Menschen die ihr Leben miteinander bestreiten. Sexuelle Treue ist ein konstruktivistisches Hirngespinst.

livb25 || 16.08.2017 14:57:11

Guten Tag, ich finde das Artikel ziemlich gut geschrieben und würde gerne ein paar Sätze in meiner Hausarbeit zitieren und würde deshalb gerne wissen wer genau das Artikel geschrieben hat, und was für quellen er dafür benutzt hat !
Vielen Dank

Mensch der Gegenwart || 20.05.2014 22:55:04

Ist es nicht eher der Grundsatz als das seltsame, neue Modell? Was erwartet man als Single, der das erste Mal einen Partner sucht? Es macht doch keinen Sinn, sich unter Druck zu setzen, dass es nur diesen einen Versuch gibt. Und wenn dieser erste Partner doch nicht so gut zu dir passt, tja, dann hast du eben Pech für dein restliches Leben. Oder wie sonst soll ich das "Gegenmodell" zur seriellen Monogamie verstehen? Es geht nicht darum, dass man sich nicht auf einen Partner einlassen kann. Sondern darum, sich kennen zu lernen, es miteinander zu versuchen und eine Beziehung aufzubauen. Diese Beziehung trägt dann die Partnerschaft - besser als der bloße Anspruch, nur Eine(n) im Leben haben zu "dürfen". Serielle Monogamie heißt nicht, dass man eine Serie beginnt. Sondern nur dass man sich schon einmal getrennt hat, auch wenn man ursprünglich dachte, man bliebe zusammen. Serielle Monogamie ist das, was so eigentlich jeder lebt, der nicht seine allererste Liebe geheiratet hat und dies das Leben lang bleibt.

Hanne || 19.01.2010 11:17:28

Dieser Bericht regt zum Nachdenken an - es klingt für mich recht schlüssig... Interessante Gedankengänge auf jeden Fall!


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