Beziehungssucht: Wenn Liebe krank macht
Kann zuviel Liebe schaden? Ja, wenn man in eine emotionale Abhängigkeit zum Partner gerät und alle Gefühle nur auf diese eine Person richtet. Beziehungsuscht ist ein weit verbreitetes Phänomen. Schätzungen zufolge befinden sich etwa 16 Prozent der Deutschen in Beziehungen mit suchtartigem Charakter. Der Liebesfaktor ist dabei hoch – höher noch ist aber der Leidensfaktor. Warum das so ist, wo mögliche Ursachen für Beziehungssucht liegen und wie Sie sich davon befreien können, lesen Sie hier.
Auch in der Liebe gilt: Die Menge macht das Gift. Braucht jemand die Liebe im Leben wie die Luft zum Atmen, kann das zur Sucht werden. Wenn Sie zum Beispiel alles für ein bisschen Liebe tun, in Beziehungen immer mehr investieren als Sie zurückbekommen und meistens enttäuscht werden, kann es sein, dass Ihr Liebesbedarf das normale Maß sprengt. Psychologen nennen den übermächtigen Wunsch nach menschlicher Nähe Liebes-, Beziehungs- oder auch Bindungssucht. Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen, wobei Frauen eher dazu neigen, Liebe und Partnerschaft als höchsten Lebensinhalt zu deklarieren, wie beispielsweise Julia Kathan erklärt. In ihrem Buch Alles für ein bißchen Liebe beschreibt sie, wie süchtige Liebe entstehen und wie man sie in wahre Liebe verwandeln kann.
Die dunkle Seite der Liebe
Liebessüchtige werden in Beziehungen zu regelrechten Klammeraffen, die den anderen kaum loslassen. Sie fixieren sich auf den Partner, bleiben krampfhaft am Ball, auch wenn der andere auf Distanz geht. Oft sind Liebessüchtige Geliebte von Verheirateten. Sie lassen sich mit wenigen zärtlichen Stunden abspeisen und ordnen sich mucksmäuschenstill in die zweite Liebesreihe ein.
Ist ein Liebessüchtiger gerade solo, setzt er alles daran, den nächsten Beziehungskandidaten zu finden. Und kürt gerne mal unpassende Modelle zum Liebesobjekt. Beispielsweise Vergebene, Beziehungsunfähige oder Alkoholabhängige – in jedem Fall Partner, die ihnen niemals das geben können, was sie sich im tiefsten Herzen wünschen: echte Liebe. Allerdings gestehen sich das Liebessüchtige meist nicht ein. Ganz im Gegenteil: Sie reden sich selbst die unglücklichste Beziehung schön. Je mehr sie aus vermeintlicher »Liebe« leiden, umso attraktiver erscheint ihnen der andere sogar.
Aber was ist noch im Rahmen und wo beginnt die Beziehungssucht? Die Übergänge von »normaler« Liebe zu Liebessucht sind ziemlich fließend. Emotionale Abhängigkeit etwa, ein Merkmal der Liebessucht, entsteht eigentlich in jeder Beziehung und ist wichtige Basis für die Festigung der Paarbindung.
Gerade am Beginn einer Beziehung gilt es als Zeichen großer Leidenschaft, wenn man einander in jeder Hinsicht treu ergeben ist. Wer in den ersten Schmusewochen dem geliebten Gegenüber »Ohne dich kann ich nicht leben« ins Ohr säuselt, verleiht so vielleicht lediglich seiner tiefen Liebe Ausdruck. Wer aber tatsächlich ohne den anderen nicht mehr existieren kann und dafür allerhand erträgt, der hat die Grenze zur Beziehungssucht überschritten.
Kann denn Liebe schmerzhaft sein?
Viele Menschen denken, die Intensität ihrer Liebe ließe sich von ihrer Leidensfähigkeit ablesen: Nur wenn die Liebe wirklich groß ist, leidet man doch unter der Abwesenheit des anderen oder seiner unerwiderten Liebe. Ein fataler Trugschluss! Denn wahre Liebe hat nichts mit Leiden zu tun. Sie ist frei, beglückend und nicht an Bedingungen geknüpft. Sie macht nicht krank und beruht auf Gegenseitigkeit.
Natürlich sind auch hier Geben und Nehmen nicht immer völlig ausgewogen, auch wahre Liebe hat Höhen und Tiefen. Aber sie ist imstande, Unstimmigkeiten zu ertragen und den anderen loszulassen – Liebessüchtigen gelingt genau das nicht. Für sie wird der Partner zur Projektionsfläche für Gefühlsdefizite. Der eigene Selbstwert wird ausschließlich über ihn definiert. Das kann belastend für den Heißgeliebten sein. Aber vor allem der Beziehungssüchtige leidet darunter – bewusst oder unbewusst. Je weniger der andere die Liebe erwidert, umso größer wird das Bedürfnis des Liebessüchtigen danach – das sogar gesundheitliche Folgen haben kann.
Psychologen kennen das Problem, unter Medizinern ist jedoch umstritten, ob es sich bei übermäßiger Liebe wirklich um eine Sucht handelt. Rein wissenschaftlich betrachtet ist der Begriff immer an einen stofflichen Auslöser wie Alkohol oder Drogen gekoppelt. Die Folgen von Beziehungssucht können jedoch denen einer Drogensucht ähneln. Depression, Schlaf- oder Essstörungen beispielsweise können gesundheitliche Konsequenzen sein, auch Alkohol- oder Medikamentensucht sind nicht selten.
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