Im Zweifel gegen die Liebe? Wann Beziehungszweifel eine Chance und wann sie eher Alarmsignal sind, lesen Sie hier.

An seiner alten Beziehung hängen

An der Liebe zweifeln: Chance oder Alarmstufe Rot?

Ist das (noch) die Beziehung, die ich mir wünsche und in 20 Jahren leben möchte? Jeder sechste Deutsche denkt manchmal darüber nach, ob es nicht doch einen besseren Partner für ihn gibt. Sind diese Zweifel normal oder Zeichen dafür, dass die Beziehung vor dem Aus steht?

Das lesen Sie in diesem Artikel:

Gute Zeiten, schlechte Zeiten – jede Beziehung hat sie. Wenn alles gut läuft, stellt man kaum die ganze Partnerschaft infrage. Tauchen aber Probleme auf, kommen schnell die Zweifel.

  • Liebe ich meinen Partner noch oder führen wir bereits eine Zweckbeziehung?
  • Fühle ich mich noch verstanden und respektiert von ihm?
  • Fühle ich mich noch wohl, wenn ich mit meinem Partner zusammen bin?
  • Möchte ich mit diesem Partner in 10 oder 20 Jahren noch zusammen sein?
  • Ist er/sie überhaupt der richtige Partner oder wäre ich mit einem anderen Partner vielleicht (noch) glücklicher?

Derartige Gedanken sind weit verbreitet. Einer ElitePartner-Studie zur Folge, zweifelt jeder sechste Deutsche an seiner Beziehung. Ehepaare sind laut Studie etwas unkritischer: Nur 9 Prozent der Verheirateten grübeln häufig, ob der Angetraute wirklich passt.

Für viele ist es auch nicht tabu, trotz fester Beziehung den Marktwert zu checken. Das zeigte eine repräsentative Online-Umfrage von Seitensprung-Fibel.de: So sagten 76 Prozent aller Umfrageteilnehmer, die in einer festen Partnerschaft leben, sie würden ihren Marktwert per Flirt checken. Besonders nachdenklich dabei stimmt, dass jeder dritte Mann und jede vierte Frau bereit sind, den Partner zu verlassen, sollte bei einem Zufallsflirt ein Volltreffer dabei sein.

Und was sagt uns das jetzt? Dass Beziehungszweifel latent offensichtlich in vielen, vielen Partnerschaften vorkommen.

Beziehungszweifel – was steckt dahinter?

Von Zeit zu Zeit kann es jeden erwischen: Man überlegt, ob der aktuelle Partner tatsächlich der perfekte Lebensgefährte ist. Ist es wirklich Liebe, oder bleibt man nur aus Gewohnheit zusammen? Tut einem der Partner gut, oder nervt er eher? Sehnt man sich eigentlich nach einer anderen Person?

Die Beziehung infrage stellen, an den eigenen Gefühlen zweifeln, die Liebe nüchtern betrachten – das tun viele Menschen vor allem dann, wenn Verliebtheit übergeht in eine Bindung, die mehr durch Vertrautheit als Leidenschaft geprägt ist. Der Berliner Psychologe und Buchautor Wolfgang Krüger meint, dann entscheide sich, wie tragfähig die Beziehung sei. In »Freiraum für die Liebe« schreibt er, jeder Mensch sehne sich zwar insgeheim nach der großen Liebe, viele bekommen aber einen regelrechten Schreck, wenn sie merken, dass eine Beziehung ernst wird. Denn das bedeute nicht nur, dass wir emotionale Verpflichtungen eingehen müssen, sondern dass uns viele andere Möglichkeiten auch entgehen. Solange die Liebe noch relativ frisch ist, können wir unsere Zweifel oft noch gut bezähmen. Kommen aber später typische Belastungsproben wie Alltag, Haushalt und Kinder hinzu, würden die Zweifel, ob dieser Partner der richtige ist, wieder auftauchen.

Stress und Konflikte sind ebenfalls Trigger für Liebeszweifel – der amerikanische Paarforscher John Gottman hält sie für gefährlich. Einen Mangel an aufrichtiger Selbstmitteilung in Verbindung mit negativen Vergleichen sieht er besonders kritisch. Wer sich nicht ganz auf den Partner einlasse und sich nicht voll zu der Beziehung bekenne, laufe Gefahr, alles in Zweifel zu ziehen. In »Die Vermessung der Liebe« schreibt Gottman, vor allem Vergleiche mit anderen würden dazu beitragen, dass man sich vom eigenen Partner entferne – was auch die Wahrscheinlichkeit für Untreue erhöhe.

5 Gründe für Zweifel an der Liebe

1. So viele Möglichkeiten, so viel Verführung

Wir leben in Zeiten des Überflusses – davon bleibt auch die Liebe nicht verschont. Es gibt so viele Wahlmöglichkeiten, so viel Freiheit, kein Wunder, dass es schwerfällt, sich festzulegen. Das hat auch Friedmann Karig beobachtet. Für sein Buch »Wie wir lieben« hat er Paare befragt, die offenere Beziehungskonzepte ausprobieren. Ein Fazit: Der Überfluss an potenziellen Partnern, die Vielzahl an möglichen Beziehungskonstellationen – all das verunsichert uns so sehr, dass wir zweifeln müssen. Denn sobald wir uns auf einen Partner festlegen, packt uns schon die Reue über all die verpassten Gelegenheiten. Paartherapeutin Andrea Bräu ist ähnlicher Meinung. In »Es war doch nur Sex« geht sie den Gründen für Untreue nach und kommt unter anderem zum Schluss, dass die vielen Liebesoptionen manche Menschen so unter Druck setzen, dass sie nie mit ihrer aktuellen Beziehung zufrieden sein können. Wird es dann in der Partnerschaft schwierig, erliegen sie oft der Versuchung eines Seitensprungs.

2. Unzufriedenheit ist guter Nährboden für Zweifel

Frust in der Partnerschaft und Probleme bescheren uns negative Gefühle. Anstatt uns selbst zu hinterfragen, mäkeln wir lieber am anderen herum und konzentrieren unsere Zweifel auf den Partner. Mit fatalen Folgen. Denn den anderen kann man kaum ändern, man muss bei sich selbst beginnen, um das Verhalten des Partners zu beeinflussen. Diese Ansicht vertritt auch Michael Mary, der in »Der Beziehungs-Code« erklärt, wie Menschen ihre Partnerschaft verbessern können, ohne den Partner zu ändern. Eine latente Unzufriedenheit ließe sich demnach theoretisch womöglich ausräumen, praktisch jedoch laden viele sie mithilfe massiver Liebeszweifel einfach beim anderen ab.

3. Zu hohe Ansprüche, zu wenig Geduld

Besser, höher, schöner, schneller – unser Drang nach Selbstoptimierung macht auch vor Beziehungen nicht Halt. Der Partner kann leicht zum Statusobjekt werden, den wir äußerlich und charakterlich optimieren wollen. Proportional zu unseren hohen Ansprüchen sinkt dann die Bereitschaft, sich einzusetzen für eine Beziehung, die zwischendurch auch mal suboptimal ist. Zumal uns überall suggeriert wird, dass wir unser Glück in der Hand haben: Sind wir nicht zufrieden mit der Beziehung, dann müssen, können, dürfen wir handeln. Tragisch ist, dass unsere Ansprüche in Relation zur Wirklichkeit oft schlecht abschneiden und wir eher zweifeln, als zu überlegen, wie wir schlechte Beziehungsphasen konstruktiv bewältigen können.

4. Bindungsangst & Konsorten

Bindungsangst ist ein regelrechter Beziehungsblocker. Wer unsicher ist, wenig Selbstbewusstsein und schlechte Erfahrungen in seiner Liebesbiografie hat, neigt eher zu Zweifeln. Die haben dann allerdings weniger mit der Unvollkommenheit des anderen oder der Partnerschaft zu tun, als mit der eigenen Person. Absurderweise ist es oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein oder nicht geliebt werden zu können, die Zweifel überhand nehmen lassen.

5. Mangelnde Gefühle

Und ja: Zweifel können auch einen tieferen Grund haben. Sie können nämlich Hinweis darauf sein, dass es nicht passt. Oft sagt unser Kopf etwas anderes als der Bauch – etwa, wenn jemand partout nicht alleine sein kann oder will, und darum eine fragwürdige Partnerschaft in Kauf nimmt. Zweifel sind dann in der Tat berechtigt. Denn auch wenn eine Beziehung Durchhaltevermögen braucht und auch schlechte Zeiten aushalten muss, sollten die Gefühle stimmen. Wer sich nur halbherzig auf eine Partnerschaft einlässt, muss mit Zweifeln leben oder seinem Bauchgefühl nachgehen.

Warum Beziehungszweifel wichtig sein können ...

Hinter jedem Zweifel steckt ein (guter) Grund: Nicht jeder Zweifel ist Indiz dafür, dass etwas aus dem Ruder läuft. Aber jeder Zweifel zeigt, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht sind Sie an anderer Stelle in Ihrem Leben unzufrieden, hadern mit sich selbst, sind enttäuscht vom anderen? Die Kunst besteht nicht darin, Zweifel zu unterdrücken, sondern herauszufinden, woher sie tatsächlich rühren. Und dann die Chance wahrzunehmen, etwas zu verändern.

Wer zweifelt, macht sich Gedanken: Wer gar nicht mehr über seine Beziehung nachdenkt, verliert sie vielleicht aus den Augen. Wer manchmal Zweifel hat, setzt sich noch wirklich mit seiner Partnerschaft auseinander. Und das kann sehr gut sein. Denn je früher Sie ehrlich mit Ihrem Partner über Ihre Beziehung und das, was Ihnen fehlt, sprechen, desto wahrscheinlicher ist, dass Sie gemeinsam weiterkommen. Wer zweifelt, hat die Möglichkeit, die Beziehung zu hinterfragen und Probleme rechtzeitig zu erkennen.

... aber auch gefährlich werden können

Zweifel können zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden: An manchen Tagen steht einem alles bis zum Hals, da wird auch die Beziehung auseinandergepflückt. Man verteufelt den Partner, lässt kein gutes Haar an ihm, beklagt sich bei anderen über ihn. Kommt das oft vor, wird es bedenklich. Denn unsere Gedanken beeinflussen unser Handeln: Wer seine Zweifel nicht ausräumt, sondern sie nährt, riskiert, dass sie irgendwann zur selbsterfüllten Prophezeiung werden. Sprich, dass sich das, was wir im Frust vor uns hin unken, bewahrheitet.

Hinter Zweifeln kann ein Trennungswunsch liegen: Ein Liebesaus kommt eigentlich nie aus heiterem Himmel. Immer kündige sich an, wenn eine Beziehung auf eine Krise zusteuere, meint Wolfgang Krüger. Meist sei dies ein Prozess, bei dem Zweifel eine Rolle spielen. Summieren sie sich und lassen sich nicht besänftigen, können sie die Partnerschaft aushöhlen und letztlich zur Trennung beitragen. Wer allzu sehr zweifelt und an vielen Stellen unzufrieden ist mit der Beziehung, liebt vielleicht wirklich nicht genug, um diese Verbindung zu halten.

Fazit: Gute Zweifel, schlechte Zweifel?! Wie Sie mit der Unsicherheit umgehen können

Wer sich auf einen Partner festlegt, verzichtet zugleich auf unendlich viele andere potenzielle Partner – das ist die Krux an der Sache. Heute neigen viele Menschen dazu, sich alle Optionen offen zu halten, man könnte ja eine falsche Entscheidung treffen oder etwas verpassen. Angesichts der unendlich vielen Alternativen fällt es vielen schwer, verbindlich und ausschließlich »Ja« zu einer Person zu sagen. Insgeheim lassen sich manche nur halb auf eine feste Partnerschaft ein, frei nach der Devise »Mal schauen, ob noch was Besseres kommt«.

Dabei sollten wir bei allem, was wir entscheiden müssen, immer bedenken: Wir können im Voraus nie sicher sein, ob wir die allerbeste Wahl getroffen haben. Wir müssen uns manchmal trauen, uns festzulegen, auch auf die Gefahr hin, dass wir irgendwann feststellen, dass wir falsch lagen. Zweifel wird es immer geben, und es ist nie verkehrt, eine kritische Zwischenbilanz zu ziehen. Machen sich dabei viele Zweifel bemerkbar, ist es Ihre Aufgabe, diesen auf den Grund gehen.

Wie Sie mit Zweifeln umgehen können – unsere Tipps

  • Zweifel sind bis zu einem gewissen Grad normal: Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen, wenn Sie über Ihre Partnerschaft ins Grübeln geraten.
  • Besinnen Sie sich auf die guten Seiten Ihrer Beziehung: Was gibt es da? Was verbindet Sie, warum kamen Sie zusammen?
  • Vertrauen, Respekt, körperliche Nähe und Gemeinsamkeiten – diese Zutaten einer Beziehung deuten darauf hin, dass Sie mit diesem Partner nicht falsch liegen. Fragen Sie sich, was davon auf Ihre Partnerschaft zutrifft.
  • Schreiben Sie auf, was Sie an Ihrer Beziehung stört – so verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Zweifel.
  • Seien Sie ehrlich zu Ihrem Partner, sprechen Sie über Ihre Gefühle, aber machen Sie aus einer Mücke keinen Elefanten: Manch ein Zweifel löst sich in Luft auf, wenn man ihn zu fassen versucht.
  • Last but not least: Forschen Sie bei sich selbst nach, woher die Zweifel kommen und ob sie nicht mehr mit Ihnen persönlich, Ihrer Geschichte und Ihren Erfahrungen zu tun haben, als mit diesem Partner.


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