Entscheiden tut weh! Warum es heute so viele potenzielle Partner wie nie gibt, und es uns schwerer fällt denn je, uns für einen zu entscheiden.

Die Qual der Wahl: Partnersuche in Zeiten des Überangebots

Da verliebt sich einer und freut sich: Er hat einen Partner gefunden. Aber was ist mit den Millionen anderer Menschen, die auch infrage kämen? Irgendwo gibt es doch immer einen, der besser aussieht, intelligenter wirkt, mit dem der Sex geiler ist und die finanzielle Zukunft rosiger. Warum also vorzeitig zugreifen und sich festlegen?

Wir könnten sie alle haben, die potenziellen Partner dieser Welt. Manch einen bringt das schon bei der Suche aus dem Konzept. Andere liebäugeln mit Alternativen, wenn sie fest gebunden sind. Denn so viel Auswahl verunsichert. Wann können wir wissen, dass dieser der beste aller möglichen Lover ist? Der eine wägt vorher genau ab, was er will, der andere greift willkürlich zu. In jedem Fall müssen wir eine Wahl treffen. Je aufrichtiger wir zu unserer Entscheidung stehen und je mehr Commitment dabei im Spiel ist, umso besser sind die Aussichten auf Liebesglück.

28 Prozent der Singles stehen dem eigenen Liebesglück mit ihrem ausgeprägten Anspruchsdenken im Weg. Ein Phänomen, das besonders unter Akademikern verbreitet ist.

ElitePartner Studie

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Entscheidungen im Angesicht unendlicher Alternativen

Jaja, unsere schöne, gar nicht mehr so neue Beziehungswelt. Nie war es leichter als heute, jemanden kennenzulernen. Zu keiner anderen Zeit hatten wir mehr Möglichkeiten, den Partner fürs Leben aufzuspüren. Online, Offline, durch Agenturvermittlung, mit Ansage – bei der Suche nach der großen Liebe gibt es no Limits. Aber warum geht das so oft schief? Wieso casten viele Menschen ewig vergeblich Partner, warum gehen viele überhaupt leer aus, und wieso setzen viele ihre Beziehung durch einen Seitensprung aufs Spiel, obwohl sie doch wissen, wie schwer es ist, einen Partner fürs Leben zu finden?

Jeder Mensch ist anders, und die Lebensumstände auch. Oft liegen die Ursachen aber tiefer, wenn sich partout kein Lebensgefährte für länger findet – trotz großer Auswahl und vieler Versuche. Denn selbst wer sich auf Anhieb verliebt, steht über kurz oder lang vor der Frage: Will ich mit diesem Menschen mein Leben verbringen? Mit solchen Entscheidungen tun sich viele Menschen schwer. Das meint die Philosophieprofessorin Ruth Chang. Die Amerikanerin befasst sich mit Entscheidungen beziehungsweise unseren Schwierigkeiten, schwierige Entscheidungen zu treffen. Ihre Erkenntnis:

Wer zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen muss, versucht zunächst, so viele Informationen wie möglich zu gewinnen. Und das, um abwägen zu können, was die allerbeste Option ist. Aber für schwere Entscheidungen gilt, dass meist keine der Alternativen der anderen überlegen ist. Welche sich als die beste herausstellt, zeigt sich oft erst, wenn wir sie ausprobieren – und uns voll zu ihr bekennen.

Wenn wir eine Entscheidung wirklich vertreten, müssen wir ein Commitment mit ihr eingehen. Sprich, wir müssen die Entschlossenheit aufbringen, dranzubleiben, uns bekennen und durchhalten, auch wenn es schwierig wird. Erst dieses Commitment macht eine Entscheidung zu einer guten. Auf Beziehungen bezogen heißt das: Wenn wir uns verlieben und auf dieser Basis eine Entscheidung für diesen bestimmten Partner treffen, sollten wir es mit Überzeugung tun. Auch auf die Gefahr hin, dadurch einen besseren Partner zu verpassen.

Nach der Entscheidung ist vor der Versuchung

Aber auch das beste Commitment kann ins Schwanken geraten. Wenn die heißen Liebesgefühle nachlassen und die Leidenschaft sich auf Geborgenheitslevel einpendelt, heißt es nämlich: durchhalten, Saure-Gurken-Zeiten gemeinsam überstehen, nicht alles hinschmeißen, nur weil´s schwierig wird. Aber genau an dieser Stelle schwächeln viele. Es scheint einfacher, etwas Neues anzufangen, wenn das Alte abgenutzt ist. Wir kaufen ja auch eher eine neue Waschmaschine, anstatt die alte reparieren zu lassen – ist doch auch günstiger. Und wenn dann im entscheidenden Moment ein attraktiver Mensch parat steht, dann fehlt nicht viel, und manch einer gibt der Versuchung nach.

Eine Beziehung gleicht heutzutage immer öfter einem Substitutionsgut. Jederzeit schnell und unkompliziert ersetzbar, wie eine zu eng gewordene Jeans.

Thomas Schmidt | Seitensprung-Fibel

Überangebot und trotzdem findet sich kein perfekter Partner?

Früher war die Partnersuche vielleicht nicht einfacher, aber womöglich doch geregelter. Die Geschlechterrollen waren klar definiert, der Mann der Ernährer, die Frau fürs Familienleben zuständig. Heute wünschen sich die meisten Menschen eine gleichwertige Beziehung, einen Partner, der maximale Geborgenheit bei minimaler Freiheitsbeschränkung bietet. Keiner sagt uns, wie wir da vorgehen sollen, wir stehen vor dem Partnerregal und sind mit unserer Entscheidungsfreiheit oft überfordert. Am liebsten wollen wir alles haben, tollen Sex in jedem Fall, aber auch Geborgenheit. Und insgeheim glaubt irgendetwas in uns doch noch, dass uns die große, perfekte Liebe rein zufällig begegnet und wir gleich wissen: Das ist es. Dabei vergessen wir, uns zu fragen, was wir eigentlich wollen. Und uns daran zu erinnern, dass wir eben nicht alles haben können – und den Mut haben sollten, eine Beziehung zu wagen.

Irgendwo wird´s immer grüneres Gras geben…

Entscheide ich mich für einen Menschen, verzichte ich zugleich auf all die anderen, die vielleicht besser wären. Woher kann ich wissen, dass ich richtig gewählt habe? Gar nicht, meinen Experten. Viele Menschen wissen erst im Nachhinein – also wenn ihre Beziehung schon ewig hält oder vorbei ist –, was sie ihnen bedeutet (hat). Wir meinen, wir könnten uns nehmen, was wir wollen, und scheuen doch davor zurück. Denn die Wahl des einen Partners ist der Verlust aller anderen, die als Liebesalternative locken. Viele Liebesalternativen scheinen ein Segen, sind aber eigentlich ein Fluch. Denn ein Überangebot und eine riesige Auswahl machen Menschen unglücklich, wie der Amerikaner Barry Schwartz, Professor für Psychologie, bei seinen Forschung über Entscheidungsprozesse herausfand.

Je mehr Optionen zur Verfügung stehen, umso größer erscheint uns die Gefahr, etwas Falsches zu wählen. Denn angesichts der vielen Alternativen können wir im Augenblick unserer Entscheidung niemals sicher sein, dass unsere Wahl die beste ist. Je mehr potenzielle Partner rein theoretisch zur Verfügung stehen, umso mehr Kriterien glauben wir, ansetzen zu müssen. Aber welche das sind, wissen wir dann erst recht nicht mehr.

YOLO: Ich muss nicht müssen, ich soll wollen

Heute muss niemand mehr heiraten, wenn er es nicht will. Keiner muss in einer unbefriedigenden Beziehung ausharren, jeder hat die Freiheit, sich daraus zu befreien. Und Durchhaltevermögen in der Liebe wird nicht unbedingt als Tugend hochgehalten. Glück ist das große Ziel, wir haben den Anspruch, auch in der Beziehung das große Los zu ziehen. Sich in einer Beziehung durchzubeißen, auch wenn es nicht ganz stimmt, widerspricht dem. Also Vorsicht beim Festlegen, erst wenn man sich absolut sicher ist, sollte man sich ganz auf eine Beziehung einlassen.

Aber wann ist sicher sicher? Beziehungen gibt es mitunter zum Schnäppchenpreis: Lass Dich auf etwas ein und steig aus, wenn die Partnerschaft Deinen Ansprüchen nicht genügt. Denn Du kannst Dir ja jemand anderen suchen. Eine Trennung ist kein Beinbruch, sich scheiden lassen längst nicht mehr verpönt und ein Leben als Single mit der Option auf Casual Sex auch was Schönes. Wenn es mit diesem Partner nicht funktioniert, bleiben immer noch viele, viele andere, mit denen es was werden könnte, also nutze Deine Chance, denn: you only live once! Das erhöht schon den Druck bei der Partnersuche: Denn wir glauben, wir müssten uns erfolgreich entscheiden. Und drücken uns aus Mangel an Entschlusskraft um Liebesentscheidungen herum.

Buchtipp: Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner

Fazit: Obacht vor der bösen »Was wäre, wenn«-Falle

Läuft es schlecht in der Beziehung, malen sich viele Menschen andere Optionen in den schönsten Farben aus. Hätte ich doch nur nicht mit meinem Ex Schluss gemacht! Was wäre gewesen, wenn ich mit dem Typen neulich ins Bett gegangen wäre? Wie glücklich könnte ich in einer anderen Beziehung sein? Solche Gedanken können zermürben. Zumal sie auf völlig irrationalen Überlegungen basieren. Wir stellen uns nämlich nur in unserer Fantasie vor, wie viel besser ein anderes Liebesleben sein könnte. Wir können überhaupt nicht wissen, wie es tatsächlich gewesen wäre oder sein würde. All unseren Frust und unsere unerfüllten Bedürfnisse projizieren wir auf den ominösen potenziellen Partner, der uns durch die Lappen gegangen oder uns noch nicht begegnet ist.

Heute ist alles eine Entscheidungsfrage. Nichts wird erzwungen. Es gibt keine sozialen oder gesellschaftlichen Normen, die unser Verhalten vorgeben. Wir haben absolute Freiheit – in allen Lebensbereichen.

Barry Schwartz

Und hier kommen wieder die vielen Möglichkeiten, einen Lebenspartner zu suchen, ins Spiel. Dass es sie gibt, kann uns unruhig machen und unsere Ansprüche, Erwartungen und Vorstellungen prägen. Und unsere Entscheidungen beeinflussen. Menschen unterscheiden sich darin, wie sie eine Wahl treffen, das hat der Sozialpsychologe Barry Schwartz herausgefunden. Beim Einkaufsverhalten zeigt sich das deutlich:

Satisficer suchen immer nur so lange, bis sie ein Produkt gefunden haben, das ihren eigenen Wünschen und Ansprüchen entspricht. Sie haben klare Vorstellungen von der Beschaffenheit und dem Aussehen des Produkts und machen sich vorab Gedanken darüber. So sparen sie Zeit und sind mit ihrer Wahl in der Regel zufrieden. Maximizer dagegen sind kritisch, sammeln alle möglichen Informationen, holen Empfehlungen ein, vergleichen Preise und sichten das Angebot ausgiebig. Haben sie sich entschieden, werden sie von all den Informationen eingeholt: Sie grübeln darüber, ob sie die richtige Wahl getroffen haben und nicht doch noch etwas länger hätten suchen sollen. Vielleicht hätten sie irgendwo das perfekte Produkt noch günstiger bekommen, womöglich verpassen sie etwas, weil sie zu früh zugegriffen haben.

Auch bei der Partnersuche gibt es Satisficer und Maximizer. Letztere holt bisweilen auch die vorweggenommene Reue ein: Schon bevor sie sich überhaupt entschieden haben, trauern sie über all die Optionen, die ihnen entgangen sind. Und etliche andere animiert das dazu, sich nie ernsthaft für eine Beziehung zu entscheiden, sondern sich auf »future surfing« zu verlegen. So nennt die amerikanische Psychologin Heidi Reeder es, wenn Menschen sich nie wirklich binden und innerlich auf Distanz zu einem Partner bleiben – weil sie auf die beste Option in der Zukunft bauen und dafür mehr Energie investieren, als in ihre bestehende Beziehung.

Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als ständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.

Charles de Gaulle

3 gute Ansätze für gute Entscheidungen

1. »Was-ist-jetzt-gut« hilft gegen »was-wäre-wenn«

Hätte, wäre, könnte – flüchten Sie sich bloß nicht in Fantasien darüber, wie es Ihnen anders besser gehen könnte. Dabei verlieren Sie den Blick für das Gute im Hier und Jetzt. Machen Sie sich bewusst, was positiv ist an Ihrer aktuellen Beziehung: Schreiben Sie drei Gründe auf, warum Sie mit diesem Partner zusammen sind. Das kann helfen, den Fokus auf die Gegenwart zu lenken.

2. Grübeln bringt Sie nicht weiter

Grübeln ist die fiese Art, sich das Leben schwer zu machen. Wer ständig seine Zweifel gedanklich nährt, dreht sich ziellos im Kreis und findet vieles, nur eines nicht: eine Lösung. Zweifel sind normal, sie gehören zum Leben dazu. Wer sich Gedanken über seine Beziehung macht, hat sich noch lang nicht entliebt. Und wer bei der Partnersuche zu viel Kopf einschaltet, ist darum auch nicht gleich beziehungsunfähig. Ein Tipp: Geben Sie sich 5 Minuten für Grübelgedanken und fragen Sie sich dann, ob es Ihnen jetzt besser geht oder Sie zumindest klarer sehen. Wetten, dem ist nicht so?

3. Perfekt? Geht nicht!

Das Leben an sich ist ziemlich unperfekt. Oft nimmt es wundersame Wendungen. Und das ist gut so, genau das macht das Liebesleben aufregend. Und es lebt davon, dass wir, uns auf einen anderen Menschen einlassen. Und dann herausfinden, ob die Beziehung für uns perfekt sein kann. Dabei tragen Sie einen Teil der Verantwortung. Ob Sie einen Partner suchen oder gefunden haben: Machen Sie sich klar, dass eigentlich nichts von vorneherein perfekt ist. Lassen Sie locker bei den Ansprüchen – und lassen Sie sich vom Leben überraschen.



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