Catherine Herriger im Interview

»Frauen gehen nicht weniger häufig fremd als Männer. Nur um einiges bedachter«

Ein Interview mit Catherine Herriger

In unserer Kindheit lernen wir, Gefühle zuzulassen und situationsangepasst mit ihnen umzugehen – oder eben auch nicht. Catherine Herriger kennt aus ihrer jahrzehntelangen Arbeit als Diplompsychologin und Beziehungstherapeutin, wie sehr uns Erziehung und frühe emotionale Erlebnisse prägen und welche Auswirkungen sie auf unsere Beziehungen haben können.

Buchcover: Wandervögler: Warum Männer unbedachter fremdgehen Die Art etwa, wie wir einen Seitensprung handhaben, lässt Rückschlüsse zu auf unseren Gefühlshaushalt, mit dem Männer bisweilen recht sorglos wirtschaften. »Wandervögler« nennt Catherine Herriger Männer, die wider eigentlich besseres Wissen wie Tornados durch ihre Beziehungen fegen und Fremdgehen für ein Kavaliersdelikt halten, das keine (unangenehmen) Konsequenzen zeitigt. In ihrem Sachbuch »Wandervögler«, das im Juni 2013 auch in einer Taschenbuchausgabe erscheint, hat sich die Diplompsychologin auf die Spur der rücksichtslosen Fremdgeher begeben.

Wir haben die Schweizer Autorin, über die man mehr unter www.ch50.ch erfährt, gefragt, warum sie mit Wandervöglern hart ins Gericht geht, und was Männer besser machen sollten.

Seitensprung-Fibel.de: Manche Männer, schreiben Sie, gehen unbedachter fremd und setzen dabei wie selbstverständlich alles aufs Spiel – inklusive der Gefühle ihrer Frauen. Wodurch sind Sie zu dieser Einschätzung gekommen?

Catherine Herriger:Ich bin seit über 30 Jahren Beziehungstherapeutin und habe in meiner Tätigkeit die Erfahrung gemacht, dass Männer häufig genug wie kleine Jungs fassungslos vor den Scherben einer Ehe, einer Familie, einer Partnerschaft stehen. Dann leiden sie unter depressiven Schüben, zeigen Anzeichen von Burnouts, ihre Karriere nimmt Schaden. Dabei wurde die Ursache, dieser ganz private Scherbenhaufen, von ihnen selbst verursacht.

Die Häufung solcher Fälle brachte mich schließlich dazu, dieses Sachbuch zu schreiben, immer in der Hoffnung, gerade jene allzu nachsichtigen Mütter etwas aufzurütteln, die ihre Jungen zu verwöhnten Prinzen erziehen, die dann lebenslang glauben, sich in emotionaler Hinsicht bezüglich Frauen alles erlauben zu dürfen.

Seitensprung-Fibel.de: Ihre Ansichten sind zum Teil recht...nun ja...krass...glauben Sie nicht, Sie tun manchem Mann, der einen Seitensprung begeht, Unrecht mit Ihrem Urteil?

Catherine Herriger:Welches meiner Urteile denn? Dass ein emotional unreifer Mann mit seinem launigen Fremdgehen sich einer grundlegenden Beziehungsverantwortung wiederholt entzieht? Dass er partnerschaftliches Vertrauen missbraucht und zerstört? Völlig verantwortungslos eine ganze Familie in die Luft sprengt? Dass er nicht erwachsen genug ist, den Schaden abzuschätzen, den er mit seinen Seitensprüngen verursacht? DAS sind nicht krasse Ansichten, sondern naheliegende, dabei keineswegs nur psychologische Schlussfolgerungen.

Seitensprung-Fibel.de: Affären dienen oft dazu, eine erkaltete Ehe zu stabilisieren. Männer, die sich über Jahre eine »Geliebte halten«, tun vieles dafür, dass dieses Beziehungsdreieck erhalten bleibt, weil die Geliebte als ausgleichendes Element in der Beziehung wirkt, die Fortsetzung der Ehe leichter macht und als eine Art Kanalisation für den Alltagsstress in der Erstbeziehung dient. Ist dieses männliche Vorgehen nicht bedacht und wohlkalkuliert, also genau das Gegenteil vom »unbedachten« Fremdgehen?

Catherine Herriger: Und warum »stabilisiert« ein solcher Mann seine Ehe? Es klingt durchaus wohl bedacht, aber aufgrund falscher, da rein egoistischer Motive. Es geht ihm doch gut bei sich zuhause, er kann sich dort erholen, wird wahrscheinlich gut bekocht und umsorgt, darf ungeniert alle Viere von sich strecken. Er ist – wie ein kleiner, verwöhnter Junge – zwischendurch eben gerne bei Mama. Nur dass diese Mama seine Frau ist und als solche eine andere und respektvollere Bezugnahme verdient hätte. Abgesehen davon: Wehe, seine Frau würde ihn betrügen! Von Kavaliersdelikt oder »Stabilisierung« wäre dann kaum die Rede, geschweige denn von irgendwelcher Bereitschaft zur Nachsicht …

Seitensprung-Fibel.de: Sollten Männer also Seitensprünge tunlichst verheimlichen?

Catherine Herriger:Nein, sie sollten VORHER mit ihrer Partnerin darüber reden, wenn sie solche Gelüste verspüren bzw. einer erotischen Versuchung nicht widerstehen können. Dann besteht immerhin die Chance einer Absprache, eventuell sogar einer Übereinkunft. Aber auch die Möglichkeit, dass die Frau klar und deutlich »Nein« signalisieren kann. Dann muss der Konflikt angegangen und irgendwie gelöst werden, allerdings gemeinsam. Was damit in der Beziehung so oder so vermieden wird, ist dieses unheimlich Verletzende, kaum wieder Gutzumachende: nämlich das Belogen und Hintergangen werden. Fakt ist: Wenn das Vertrauen in einer Zweierbeziehung einmal futsch ist, kann es kaum wieder aufgebaut werden.

Seitensprung-Fibel.de: Was raten Sie Männern, die ihre Frau lieben, aber ihre körperlichen Begierden nach etlichen Jahren Ehe nicht ganz ad acta legen, und womöglich woanders ausleben wollen?

Catherine Herriger:Klartext miteinander reden, sich über Befindlichkeiten in der Sexualität austauschen. Manchmal kann sich da Erstaunliches offenbaren, was jahrelang tabuisiert wurde und so der Erotik unerwartet neuen Auftrieb geben. Eventuell lässt sich auch eine Art Vereinbarung finden, ohne massive Verletzungen.

Seitensprung-Fibel.de: Kann ein (männlicher) Liebesausrutscher nicht auch Indiz für eine unglückliche Beziehung bzw. ein radikaler Ausbruchsversuch aus einer dysfunktionalen Partnerschaft sein, also vielmehr ein Symptom als eine Ursache für Liebesleid?

Catherine Herriger:Aber natürlich! Das gilt für beide Seiten. Hier wäre Ehrlichkeit sich selber gegenüber angesagt, um dann, möglichst gemeinsam, an einer (hoffentlich noch) gütlichen Trennung zu arbeiten. Meiner Erfahrung nach braucht es in einem solchen Fall die Hilfe eines Therapeuten, damit wenigstens die Trennung als abschließender Erfolg gewertet werden kann.

Seitensprung-Fibel.de: Was machen Frauen beim Seitenspringen Ihrer Meinung nach anders bzw. besser als ihre Männer?

Catherine Herriger:Im Allgemeinen gehen sie beziehungsbewusster damit um, mit anderen Worten: Frauen sind weniger naiv, dafür umso risikobewusster. Eine Frau setzt selten leichtfertig eine feste Beziehung, eine Familie aufs Spiel für einen One-Night-Stand. Frauen planen ihre Seitensprünge wesentlich umsichtiger und diskreter als Männer. Sie brüsten sich auch nicht mit ihren »Eroberungen«, was Männer sehr wohl tun im Rahmen ihrer jeweiligen Peergroups. Vom moralischen Standpunkt aus macht dies weibliche Seitensprünge allerdings keinen Deut besser.

Seitensprung-Fibel.de: Gibt es auch Wandervöglerinnen?

Catherine Herriger:Natürlich. Frauen gehen nicht weniger häufig fremd als Männer. Nur um einiges bedachter. Oder hören/lesen Sie häufig von Frauen, die gerade wieder beim Fremdgehen aufgeflogen sind? Während selbst prominente Männer davon ausgehen, dass, sollten sie entdeckt werden, ihnen garantiert verziehen wird. Wie ihnen vor vielen Jahren schon die Mama immer alles nachgesehen hat und damit ein ganz bestimmtes Frauenbild geprägt hat.

Seitensprung-Fibel.de: Wie würden Sie das Verhalten von Frauen bezeichnen, die Jahre, sogar Jahrzehnte in der Position der Geliebte verweilen, Tag für Tag hoffen, dass sich der Ehemann von seiner Ehefrau trennt? Ist das nicht ebenfalls »unbedachtes« Verhalten, angetrieben von der Hoffnung auf ein Happy End?

Catherine Herriger:Das ist eine gänzlich andere Geschichte, die ins traurige Kapitel »mangelhafter Selbstwert gewisser Frauen« fällt – also mit der Unbedachtheit oder partiellen Dummheit der Wandervögler nichts zu tun hat. Und in den wenigsten Fällen mit einem Happy End endet.

Liebe Frau Catherine Herriger, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch!



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